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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sich.
    Grey ließ sich zurücksinken, und ihm dämmerte, was geschehen war.
    »Ihr habt Bates’ Brief gelesen.«
    »Aber ja doch«, bejahte O’Higgins ohne jede Scham. »Wirklich schockierend, das.«
    »Nicht annähernd so schockierend wie Ihr glaubt«, sagte Grey, der sich allmählich sammelte, trocken. »Warum glaubt Ihr denn, dass sich Adams im Regimentsquartier aufhält? Und außerdem, was führt Euch hierher?«
    »Oh, ich bin Euer Ehren gefolgt, als Ihr Adams’ Haus verlassen habt«, sagte der Ire unbekümmert. »Nachdem mein Bruder bereits Mr. Adams gefolgt war, der kurz vor Euch gegangen war. Keine Sorge, Sir, selbst wenn er fort ist, wenn wir dort ankommen, wird Rafe wie eine Klette an ihm kleben.«
    »Aber warum hat er -«
    »Nun, das Geld natürlich«, sagte Mick, als sei das völlig offensichtlich. »Er hat es in unserem Wahrsagerschränkchen versteckt. Und er ist zur Amtsstube Eures Bruders unterwegs, um es sich zu holen - weil er ja nicht weiß, dass es nicht mehr da ist.« Der Ire grinste fröhlich. »Wir dachten, das Mindeste, was wir tun könnten, um Euer Ehren unsere Dankbarkeit zu zeigen, ist, Euch zu ihm zu führen.«
    Grey starrte ihn an. Das heftige Rattern der Kutsche auf ihrem hastigen Weg über das Kopfsteinpflaster bemerkte er kaum.
    »Ihr habt es gefunden. Das Geld.« Ihm kam noch ein Gedanke.
»War noch etwas anderes in dem Schränkchen - Papiere?«
    »Oh, es haben nur ein paar gammelige Papierfetzen zwischen den Zahnrädern gesteckt; wir haben sie verbrannt«, sagte O’Higgins ungerührt. »Was das Geld angeht, Sir, so könnte ich gar nicht sagen, dass wir welches gefunden haben. Allerdings kann ich sagen, dass Rafe und ich nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen sind, dass uns das Armeeleben vielleicht doch nicht so liegt. Wir fahren zurück nach Irland, sobald diese Angelegenheit hier erledigt ist.«
    Die Kutsche ratterte um eine weitere Ecke, und die Pferde kamen mit geblähten Nüstern zum Halten. Es war schon spät am Tag; das Regimentsquartier würde verlassen sein. Genau darauf hatte Adams natürlich gewartet.
    Grey warf dem Kutscher seine Bezahlung zu und wandte sich dem Gebäude zu. Im selben Moment sah er, wie sich eine geduckte Gestalt aus dem abendlichen Schatten löste und auf ihn zukam.
    »Ist er drin?«, fragte Mick, und Rafe nickte.
    »Gerade hineingegangen, vor nicht einmal fünf Minuten.« Er warf Grey einen prüfenden Blick zu, dann sah er an der Fassade des Gebäudes empor.
    »Ich glaube nicht, dass wir die Wache rufen müssen«, sagte er. »Würden Euer Ehren die Angelegenheit gern von Mann zu Mann regeln? Wir sorgen dafür, dass er nicht entwischt, Mick und ich.« Er lehnte sich gegen den Türpfosten und gab mit der Hand an seinem Knüppel ein höchst unsoldatisches, aber durch und durch einsatzfähiges Bild ab.
    »Ich - ja«, sagte Grey abrupt. »Danke.«
    Die Tür war nicht abgeschlossen; er trat ein und blieb stehen, um zu lauschen. Schweiß lief ihm über den Nacken, und Leere murmelte in seinen Ohren.
    Sämtliche Türen entlang des Parterreflurs waren geschlossen. Hals Amtsstube lag oben. Beinahe reflexartig zog Grey sein Schwert. In der Stille flüsterte das Metall kalt an der Scheide entlang.

    Er versuchte erst gar nicht, den Klang seiner Schritte zu dämpfen. Es spielte keine Rolle, ob Adams ihn kommen hören konnte.
    Auch der Flur in der ersten Etage war leer. Er war nur durch das schwindende Licht erhellt, das durch das Fenster an seinem Ende fiel. Doch zu seiner Rechten war ein Lichtstreifen zu sehen; Hals Tür stand offen.
    Was sollte er jetzt empfinden?, fragte er sich, während er durch den Flur schritt. Seine Absätze pochten rhythmisch wie Herzschläge auf den Boden. Viel zu lange hatte er viel zu viel empfunden. Jetzt empfand er nichts mehr außer dem Bedürfnis fortzufahren.
    Adams hatte ihn gehört; er stand am Schreibtisch, und sein fahles Gesicht war angespannt. Als er Grey erkannte, entspannten sich seine Züge, und er legte die Hand auf den Schreibtisch, um sich abzustützen.
    »Oh, Lord John«, sagte er. »Ihr seid es. Ich suche nur ein -«
    »Ich weiß, wonach Ihr gesucht habt«, unterbrach ihn Grey. »Es spielt keine Rolle.«
    Adams Miene wurde auf der Stelle argwöhnisch.
    »Ich fürchte, hier liegt eine Verwechslung vor, Sir«, begann er, und Grey hob die Spitze seines Rapiers und drückte sie dem Mann vor die Brust.
    »Nein, das ist nicht der Fall.« Seine Stimme kam ihm seltsam vor, distanziert und ruhig. »Ihr habt

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