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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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inzwischen klar. Es war schon fast halb fünf - kurz vor seinem Eintreffen hatte er die Glocken schlagen gehört. Wenn Adams vorgehabt hätte
zu kommen, wäre er hier. Die Tatsache, dass er es nicht war …
    Sie starrte ihn verständnislos an.
    »Adams«, wiederholte er. »Es war Bernard Adams, der Vater umgebracht hat?«
    Ihr Gesicht verlor jede Farbe, und sie setzte sich abrupt auf ein Sofa. Ihre Augen schlossen sich, als könnte sie sie nicht offen halten.
    »Was hast du getan, John?«, flüsterte sie. »Was weißt du?«
    Er trat zu ihr, setzte sich neben sie und nahm ihr die Pistole aus der Hand, die jetzt erschlafft war und ihm keinen Widerstand leistete.
    »Ich weiß, dass Vater ermordet worden ist«, sagte er sanft. »Ich weiß es schon seit dem Morgen, an dem du ihn gefunden hast. Ich war auch im Wintergarten und hatte mich versteckt.«
    Sie riss erschrocken die Augen auf, deren Farbe das gleiche Hellblau war wie bei ihm. Er legte die freie Hand auf die ihre und drückte sie sanft.
    »Seit wann bist du zurück?«, fragte er. »Weiß Sir George Bescheid?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich - seit drei Tagen. Ich habe ihm gesagt, ich wollte zur Geburt von Minnies Baby in London sein. In einem Monat kommt er ebenfalls zurück; er hatte nichts dagegen.«
    »Er wird wahrscheinlich etwas dagegen haben, wenn er dich bei seiner Rückkehr tot oder verhaftet vorfindet.«
    Er holte Luft und spürte, wie sich sein Herzschlag verlangsamte.
    »Du hättest es uns sagen sollen«, sagte er. »Hal und mir.«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf und schloss die Augen wieder. »Nein! Er hätte es niemals auf sich beruhen lassen. Du weißt doch, wie Hal ist.«
    »Ja, das weiß ich«, sagte Grey und lächelte unwillkürlich. »Er ist genau wie du, Mutter. Und wie ich.«

    Bebend senkte sie den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. Ein unablässiges feines Zittern durchlief sie wie Sand, der unter den Füßen dahinfließt, wenn es Ebbe wird, wenn die terra firma sich verflüchtigt.
    »Ich habe schon meinen Mann verloren«, sagte sie leise an ihre Füße gerichtet. »Ich möchte nicht auch noch meine Söhne verlieren.« Sie hob den Kopf und warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
    »Glaubst du denn, ich weiß gar nichts über Männer? Vor allem über dich und deinen Bruder? Oder über den General?«
    »Was meinst du damit?«
    Sie stieß ein leises Geräusch aus, das Lachen oder Schluchzen hätte sein können.
    »Willst du mir wirklich sagen, dass ich es euch hätte erzählen sollen - ganz gleich, wem von euch -, ohne davon ausgehen zu müssen, dass ihr euch geradewegs daranmachen würdet, der Sache ohne Rücksicht auf Verluste nachzugehen?«
    »Nun, natürlich nicht.« Er starrte sie verständnislos an. »Was sollten wir denn sonst tun?«
    Sie fuhr sich mit der zitternden Hand über das Gesicht und drehte es der Wand zu, an der ein Zierspiegel hing.
    »Ob es besser wäre, wenn ich Töchter hätte?«, fragte sie den Spiegel mit gespieltem Ernst.
    »Nein«, beantwortete sie sich die Frage selbst. »Sie würden doch nur Männer heiraten, und da wären wir wieder.«
    Sie schloss einen Moment die Augen, anscheinend, um sich zu sammeln, dann öffnete sie sie wieder und wandte sich gefasst an Grey.
    »Wenn ich gewusst hätte, wer es war«, sagte sie mit fester Stimme, »hätte ich es Hal gesagt. Zumindest«, verbesserte sie sich, »hätte ich es ihm gesagt, sobald ich zu einem Entschluss gekommen wäre, wie am besten mit der Sache umzugehen war. Aber ich wusste es nicht. Und zu riskieren, dass er - oder später du - sich in die Gefahr stürzte, ohne eine klare Ahnung davon zu haben, wo diese Gefahr überhaupt lag und was für
ein Ausmaß sie haben könnte? Nein. Nein, das kam nicht in Frage.«
    »Da könntest du Recht gehabt haben«, gab er widerstrebend zu, und sie prustete leise. »Aber du hast es herausgefunden.« Mit einem Gefühl, das an Ehrfurcht grenzte, begriff er, dass sie sich niemals mit dem Tod des Herzogs abgefunden hatte - dass sie die ganze Zeit geduldig gewartet und die Augen offen gehalten hatte, auf eine Gelegenheit gelauert hatte, den Mann zu entlarven und zu vernichten, der ihn umgebracht hatte. »Wie hast du Mr. Adams’ Namen herausbekommen?«
    »Ich habe Gilbert Rigby erpresst.«
    Grey spürte, wie ihm der Mund aufklappte, und er schloss ihn hastig wieder.
    »Was? Wie denn?«
    Der Hauch eines Lächelns huschte ihr über die Lippen. »Hauptmann Rigby - wahrscheinlich muss ich jetzt ›Dr. Rigby‹ sagen -

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