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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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vor ihm und breitete ihre Röcke aus, als wäre er der König. Er ergriff ihre Hand, um sie hochzuziehen, küsste sie höflich und nutzte diese Sekunden, um bitterböse Dinge über seine Schwägerin zu denken.
    Doch seiner Stimme war nicht die leiseste Spur dieser Gedanken anzumerken, als er sie dann bat, doch Platz zu nehmen, und Tom losschickte, um Wein und Plätzchen zu holen.
    »Oh, nein, Sir«, sagte sie hastig. »Ich bleibe nicht lange. Ich bin nur hier, um Eurer Lordschaft dafür zu danken, dass Ihr Hauptmann Bates’ Aufenthaltsort für mich herausgefunden habt - und um Eure Lordschaft um einen weiteren Gefallen zu bitten.« Ein hübscher Farbton stieg ihr in die Wangen, doch sie sah ihm mit klaren, hellgrünen Augen direkt ins Gesicht. »Ich falle Euch nur ungern zur Last, Mylord. Werdet Ihr mir glauben, dass mich nur die größte Dringlichkeit dazu zwingt?«
    »Natürlich«, sagte er so liebenswürdig, wie es unter den Umständen möglich war. »Was darf ich denn für Euch tun, Madam?«

    »Würdet Ihr ihn besuchen?«
    Er starrte sie an, ohne zu begreifen.
    »Hauptmann Bates«, sagte sie. »Würdet Ihr ihn besuchen?«
    »Was«, sagte er idiotischerweise, »in Newgate?«
    Ihr langes, solides Kinn hob sich zu einem schwachen Lächeln.
    »Ich bin mir sicher, dass er Euer Ehren hier seine Aufwartung machen würde, wenn er könnte«, sagte sie sehr respektvoll. »Ich bin mir sogar sicher, dass er dies vorziehen würde.« Sie hatte die leise Spur eines irischen Akzents; ganz bezaubernd.
    »Natürlich«, sagte Grey, der sich von seiner Überraschung erholt hatte, trocken. »Warum sollte ich ihn denn besuchen? Abgesehen davon, dass es Euer Wunsch ist?«
    »Das muss er Euch, glaube ich, selbst sagen, Sir.«
    Er rieb sich nachdenklich das Kinn.
    »Soll ich ihm… eine Nachricht von Euch überbringen?«, riet er. Ihre freundlichen Augen weiteten sich.
    »Oh, nein, Mylord. Das ist nicht nötig; ich sehe ihn jeden Tag.«
    »Ach ja?« Dies war durchaus möglich; selbst die größten Schwerverbrecher konnten Besuch empfangen. Aber… »Hat Euer Gatte denn nichts dagegen?«, fragte Grey so taktvoll wie möglich.
    Sie errötete weder noch wandte sie den Blick ab.
    »Ich habe ihn nicht um Erlaubnis gebeten, Mylord.«
    Er dachte daran zu fragen, wo ihr Mann denn war , beschloss dann aber, dass es ihn nichts anging.
    Hal hätte ihm zweifellos abgeraten, doch Grey war äußerst neugierig. Dies würde wahrscheinlich seine einzige Chance sein, eine unzensierte Auskunft über die Angelegenheit zu bekommen. Zwischen der extrem voreingenommenen öffentlichen Version in den Zeitungen und Hals kalter, zynischer Sicht der Dinge klaffte eine beträchtliche Lücke. Er hätte zu gern gewusst, wo die Wahrheit lag - oder wenn schon nicht die Wahrheit, dann zumindest eine weitere Sichtweise.

    Doch was zum Teufel konnte Bates von ihm wollen? Er zögerte noch einen Moment, während sie ihn mit ihren grünen Augen fixierte, doch schließlich kapitulierte er. Es konnte ja nicht schaden, sich anzuhören, was Bates zu sagen hatte.
    »Ja, gut. Wann?«
    »Morgen schon, Mylord, wenn Ihr könnt. Die Zeit wird schließlich knapp. Der Gal-, die Hinrichtung ist für Mittwochmittag angesetzt.« Erst bei dem Wort »Galgen« ließen ihre Nerven sie kurz im Stich. Sie erbleichte ein wenig und fuhr sich unwillkürlich mit der Hand an die Kehle, riss sie aber sogleich wieder fort.
    »Also gut«, sagte er langsam. »Darf ich -« Doch sie hatte seine Hand ergriffen, war auf ihr Knie gesunken und presste ihm inbrünstig einen Kuss auf den Handrücken.
    »Danke«, sagte sie. Dann drückte sie ihm fest die Hand und war mit wehenden Röcken verschwunden.

13
    Ein Besuch in Newgate
    Ein Gefängnis zu betreten ist niemals eine angenehme Erfahrung, selbst wenn man den Aufenthalt aus freien Stücken unternimmt und nicht unter Zwang. Grey war über ein Jahr lang Gefängnisverwalter von Ardsmuir gewesen und hatte das Gebäude - ja, selbst sein eigenes Quartier - nie betreten, ohne tief Luft zu holen und eine angespannte Haltung anzunehmen. Auch seine gelegentlichen Besuche des Fleet-Gefängnisses auf der Suche nach Rekruten, die bereit waren, gegen einen Schulderlass in die Armee einzutreten, waren nicht gerade ein Anlass zur Freude, genauso wenig wie die Stippvisiten in kleineren Gefängnissen, aus denen er hin und wieder straffällige Soldaten befreien musste. Doch Newgate war etwas Besonderes, selbst für einen Kenner wie ihn, und er durchschritt das Fallgatter am

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