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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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in die zweite Banane biß. »Es heißt, Davies geht über Leichen. Aber das sagen vielleicht nur die, die neidisch auf seine Erfolge sind.«

    »Sicher«, stimmte Janet etwas beklommen zu. Der scharfe Davies...
    »Wenn Sie eine Bekannte von Davies sind, dann wissen Sie sicher bestens Bescheid über den Fall?« fragte Paul hoffnungsvoll. »Ich meine, auch ein paar unbekannte Details?« Der Journalist in ihm war erwacht und hoffte auf Beute.
    Janet verzog bedauernd das Gesicht. »Ich fürchte, ich weiß weniger als Sie. Andrew hat mir kaum etwas erzählt.«
    »Schade. Wäre schön gewesen, wenn der Nottingham Daily mal die Nase vorn gehabt hätte.«
    »Es sind absolut keine weiteren Zeugen aufgetaucht?«
    »Nein. Es gibt eben nur die eine, die...«
    »... die nicht sicher ist, ich weiß. Corvey hat eine Menge Glück auf seiner Seite.«
    »Und Davies einiges Pech. Er ist sicher, er hat den richtigen Mann gefaßt. Und jetzt gleitet ihm die Geschichte durch die Finger.«
    »Corvey hat ein Geständnis abgelegt«, sagte Janet, »er hat es über Wochen aufrechterhalten. Warum wird er darauf nicht festgenagelt?«
    »Wird er ja. Aber ich nehme an, er wird behaupten, daß er völlig durcheinander war. Eingeschüchtert, verwirrt, einen Blackout hatte... was weiß ich. Er wird alle Register ziehen, beziehungsweise, sein Anwalt wird das tun.«
    In dem Augenblick kam eine blonde Frau in Jeans die Treppe heruntergelaufen und rief: »Corvey kommt! Die Verhandlung ist vertagt!«
    Im Nu herrschte hektisches Treiben unter den versammelten Journalisten. Auch Paul sprang sofort auf die Füße, schob seine halb aufgegessene Banane achtlos in die Tasche und fummelte wie wild an seinem Photoapparat herum. Überall wurden Tonbänder eingeschaltet, Mikrophonproben
gemacht, Filme gewechselt. Dann stürmten alle auf die Treppe zu und rangelten um die besten Plätze.
    Janet stand schnell auf, um nicht noch einen Tritt abzubekommen, und preßte sich eng gegen das steinerne Geländer. Ihr Herz hämmerte auf einmal wie verrückt. Fred Corvey mußte unmittelbar an ihr vorbekommen - es sei denn, er wollte sich den vielen Journalisten nicht aussetzen und ließ sich gerade durch einen Seiteneingang ins Freie schleusen, worauf zu bestehen er zweifellos das Recht hatte. Aber etwas sagte ihr, daß er geradezu danach verlangen würde, einen Auftritt zu genießen, daß er sich eine Konfrontation mit den Medien und damit die Bestätigung seiner derzeitigen Popularität um nichts in der Welt entgehen lassen würde.
    Ihr wurde so schwach zumute, daß sie weglaufen wollte, aber sie kam keinen Schritt weit, denn die Presseleute standen wie eine Mauer vor ihr, und keiner hätte es riskiert, seinen hart erkämpften Platz zu verlieren, indem er für einen Moment zur Seite trat. Und da tauchten am oberen Ende der Treppe auch schon Zuschauer und Polizisten auf, und so gab es auch in dieser Richtung keinen Fluchtweg mehr. Janet mußte bleiben, wo sie war.
    Fred Corvey trug Handschellen und war mit einem Polizeibeamten zusammengekettet, der links von ihm ging. Auf der anderen Seite drängten sich seine beiden Anwälte, die sehr zufrieden schienen, für eine Sekunde jedoch zusammenzuckten, als sie der wartenden Menge ansichtig wurden. Corvey hingegen erschrak nicht im mindesten. Er straffte seine Schultern und reckte das Kinn so, als bemühe er sich, später auf allen Photos größer und stattlicher zu wirken, als er war. Er trug eine sandfarbene Hose, braune Schuhe, ein braunes Jacket und darunter ein weißes T-Shirt. Die dunkelblonden Haare sahen keineswegs nach einem auch nur mittelguten
Friseur aus, aber Corvey hatte sie sorgfältig aus der Stirn gekämmt und mit Gel gebändigt. Er wirkte auf groteske Weise durchschnittlich; ein Mann, dessen Erscheinung weder auffiel, noch irgend jemandem im Gedächtnis blieb. Corveys Beine waren recht kurz, aber er hatte einen langen Oberkörper und war dadurch insgesamt ein immerhin mittelgroßer Mann. Ganz sicher trieb er keinen Sport; wenn er nicht daran dachte, ganz bewußt seine Schultern zurückzunehmen, sanken sie weit nach vorne; zudem war er viel zu mager und hatte eine bleiche, ungesunde Gesichtsfarbe.
    Für einen Moment schoß in Janet der Gedanke hoch: Vielleicht hat er es wirklich nicht getan. Er sieht so harmlos aus. Dieser Mann soll vier Frauen gefoltert und ermordet haben?
    Corvey, seinen Auftritt genießend, hatte oben an der Treppe einen Moment verharrt und seinen Blick wie ein Feldherr über die Menge schweifen

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