Die Suende der Engel
Gepäckkontrolle, weil der Radiorecorder natürlich auffiel und von einem Experten auseinander- und wieder zusammengebaut wurde, um sicherzugehen, daß kein Sprengstoff darin versteckt war. Michael fand die ganze Angelegenheit immer enervierender. Als sie endlich im Flugzeug saßen, vertiefte sich Karen sofort in ihre Zeitung. Sie ließ sich zweimal Kaffee nachschenken und schien äußerst guter Laune zu sein.
Michael hingegen starrte mißmutig aus dem Fenster. Wenn er sich nur nicht so albern, so kindisch, so dumm vorgekommen wäre! Und wenn da nicht gleichzeitig so viel Angst gewesen wäre. Denn unmittelbar, bevor er das Haus verließ, hatte er es noch einmal in Duverelle versucht, und noch immer hatte niemand abgenommen.
»Sie haben miese Laune, stimmt’s?« fragte Karen kurz vor der Landung in München.
Michael sah keinen Anlaß, das abzustreiten. »ja. Ich weiß nicht, warum ich mich habe überreden lassen, diese Reise anzutreten. Wir werden sowieso nichts von Interesse herausfinden, und mir ist diese Schnüffelei im Privatleben anderer Leute zuwider!«
»Ich habe das Gefühl, da β wir etwas finden werden«, behauptete Karen.
Michael seufzte. »Vermutlich handelt es sich um eine völlig harmlose Familie mit einem ebenso harmlosen Sohn. Wir sollten von der ganzen Sache niemandem etwas erzählen, sonst blamieren wir uns bis auf die Knochen.«
»Ach! Auf einmal? Darf ich Sie erinnern, daß Sie es
waren, der zuerst anfing, Mario für ein verdächtiges Subjekt zu halten? Sie haben es mir ja förmlich eingeredet!«
Michael konnte nicht umhin, das zuzugeben.
Karen fuhr fort: »Wenn wir wirklich nichts herausfinden - na ja, dann hatten wir einen netten Trip nach München! Ich wette, Sie sind seit Ewigkeiten nicht mehr verreist.«
»Die Gelegenheit hat sich nicht ergeben.«
»Sie leben sehr reglementiert, stimmt’s?«
Ihr anzüglicher Ton ärgerte Michael. »Wenn Sie damit meinen, daß ich einer geregelten Arbeit nachgehe und nicht bis zum Nachmittag im Bett liege, dann haben Sie recht.«
»Hoppla«, sagte Karen, »jetzt bin ich Ihnen auf den Schlips getreten, oder? Wollen wir Frieden schließen?«
»Ich fühlte mich nicht im Krieg befindlich«, erwiderte Michael unterkühlt.
Er hatte für sie beide zwei Zimmer im Königshof bestellt. Sie kamen um sieben Uhr im Hotel an. Karen sagte, sie habe entsetzlichen Hunger, und wenn sie sich etwas wünschen dürfte, wollte sie im Bayerischen Hof essen. »Ich meine«, fügte sie hinzu, »wenn’s Ihnen nicht zu teuer wird! Ich hab’ leider keine Kohle. Aber ich könnte den Drink vorher bezahlen.«
»Schon in Ordnung. Sie sind mein Gast.«
»Okay. Ich ziehe mich nur schnell um. Zwanzig Minuten, ja?«
»Ja«, sagte Michael und betete insgeheim, sie möge nicht noch schlimmer daherkommen als zuvor. Als sie schließlich mit einiger Verspätung im Foyer erschien, atmete er erleichtert auf. Sie ließ noch immer jegliche Eleganz vermissen, und natürlich war an ihren Haaren einfach nichts zu ändern, aber sie sah zumindest halbwegs dezent aus. Sie trug einen cremefarbenen Knitterrock und
einen ärmellosen grauen Pullover darüber, statt des Indianerschmucks eine lange, feingliedrige Silberkette, dazu passende silberne Ohrringe. Ihre Füße steckten in schwarzen Sandalen mit jeweils einer Rosenknospe auf der Spitze. Sie strahlte und hakte sich ungefragt bei ihm ein.
»Ich bin schon eine Ewigkeit nicht mehr essen gegangen!« rief sie. »Schon gar nicht mit einem Mann.«
»Ich war auch schon lange nicht mehr essen«, sagte Michael. Er lächelte. »Und schon gar nicht mit einer Frau.«
»Ich habe schnell bei Peter angerufen. Meinem Freund hier in München. Er kommt vielleicht auf einen Sprung vorbei, dann können wir ihm schon mal berichten, worum es geht.«
Obwohl sie im Trader Vic’s nicht vorbestellt hatten, bekamen sie einen Tisch, und Karen vertiefte sich sofort in die Speisekarte, wobei sie ein Gesicht machte wie ein Kind beim Anblick des Christbaumes. Widerwillig dachte Michael, daß sie ihre netten Seiten haben mochte. Aber sie war nie erwachsen geworden, kam mit dem Leben nicht zurecht. Plötzlich rührten ihn ihre dünnen Arme, deren Magerkeit jetzt in dem ärmellosen Pullover erst richtig auffiel.
»Hat Dana schon einmal angerufen?« fragte er.
Karen schüttelte den Kopf. »Nein. Aber das ist zwischen uns auch nicht üblich. Ich mache mir um meine Tochter nicht so viele Sorgen wie Sie sich um Ihre.«
»Ich denke, es wäre nicht übertrieben, einem
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