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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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diese gänzlich ahnungslose Journalistin eigenartig fand, er hätte jetzt nicht zurückgekonnt. Seine Schleusen waren geöffnet, nichts hätte den Redefluß mehr aufgehalten.
    »Guter Gott«, sagte er, »ich dachte, das wüßten Sie. Ich dachte, deshalb sind Sie hier. Wegen dem Mädchen...«
    »Dem Mädchen?«
    Er flüsterte wieder. »Ich hab’ sie ja damals gefunden. Drüben im Haus. In ihrem Blut hat sie gelegen. Würgemale hatte sie am Hals... ich dachte, sie ist tot. Und das war es sicher auch, was er wollte. Maximilian, meine ich. Er hat es auch später zugegeben. In dieser kalten Nacht vor sechs Jahren hat er versucht, das Mädchen umzubringen.«

    Sie saß in dem Taxi, das sie zum Hotel zurückbringen sollte, und hatte das Gefühl, jemand habe ihr mit dem Hammer gegen die Stirn geschlagen. Sie war wie betäubt. Was sie erfahren hatte in der letzten Stunde... es war zuviel, um es verdauen zu können. Zuerst einen Zwillingsbruder präsentiert zu bekommen, von dem bislang niemand etwas gewußt hatte, und ihn dann gleich darauf als Mörder überführt zu sehen... Fast- Mörder! Das Mädchen hatte gerettet werden können. Aber es hatte wochenlang im Koma gelegen, war als Schwerstpflegefall daraus erwacht. Verdammt zu ewiger geistiger Umnachtung, zu einem Leben im Rollstuhl, zu absoluter Hilflosigkeit.
    »Alle«, hatte Albrecht erzählt, »meinten damals, es wäre gnädiger gewesen, sie wäre gestorben.«
    Maximilian und Mario waren achtzehn gewesen, als es passierte. Sie standen kurz vor dem Abitur. Maximilian war seit kurzem mit einem Mädchen befreundet gewesen, einem sehr hübschen Mädchen mit langen, blonden Haaren.
    »Sah aus, wie Janet Beerbaum als junges Ding ausgesehen haben muß. Aber viele Jungs orientieren sich ja an ihren Müttern, nicht?« hatte Albrecht berichtet.
    Ein hübsches Mädchen mit langen, blonden Haaren. Wie Tina.
    1989 war es gewesen. Albrecht erinnerte sich noch genau an die klirrende Kälte des Märzabends. »Als wollte es nie Frühling werden...« Seine Tochter hatte an dem Tag angerufen, und Karen hielt ihn nur mühsam davon ab, ihr alles über den Werdegang dieser Frau zu erzählen. Janet und Phillip Beerbaum waren für zwei Tage verreist gewesen, zu einem Steuerfachkongreß, und sie hatten Mario mitgenommen. »Der wollte damals nach dem Abitur auch etwas mit Steuern machen. Ich glaube, er hatte vor, einmal in die Kanzlei der Eltern einzusteigen.«

    Maximilian war allein daheim geblieben. Albrecht war am Nachmittag einmal hinübergegangen, um zu fragen, ob er vielleicht irgend etwas brauchte. Aber Maximilian hatte gesagt, er komme allein zurecht. Er habe blaß ausgesehen. Na ja, vor dem Abitur saß er natürlich auch immer nur am Schreibtisch.
    »Ich glaube, er hatte das Mädchen nicht erwartet. Seine Freundin. Er wirkte... so wenig erfreut. Sie kam später am Abend. Es war schon ganz dunkel. Ich sah gerade zufällig hinaus...«
    Für die Polizei, hatte Karen gedacht, ist so jemand einfach unbezahlbar. Ein gelangweilter alter Mann, der ständig seine Augen in den Angelegenheiten anderer hat. Ein Traum von einem Zeugen.
    »Ich hatte nämlich gehört, daß sich die Grünbergs stritten. Die wohnten damals gegenüber. Die stritten immer, weil er eine Geliebte hatte... Ich schaute jedenfalls hinaus, und da klingelte das blonde Mädchen gerade bei den Beerbaums. Also, ich sage Ihnen... es war ein wirklich eiskalter Abend. Kann sein, es schneite sogar ein bißchen. Aber die war trotzdem im Minirock unterwegs. In dünnen Strümpfen und auf Stöckelschuhen. Ganz anders als sonst, wissen Sie. Sie war nie besonders aufgetakelt. Aber sie wußte wohl, daß Maximilian sturmfreie Bude hatte. Und das wollte sie vielleicht ausnutzen. Aha, dachte ich mir, ist die Katze verreist, tanzen die Mäuse! So sagt man doch. Die wollte... wenn Sie mich fragen, wollte die bis zum nächsten Morgen bleiben; Sie verstehen, was ich damit sagen will.«
    Karen hatte versichert, daß sie das durchaus verstehe.
    Albrecht erzählte, daß Maximilian geöffnet habe. Und er habe ein ziemlich finsteres Gesicht gemacht. Es schien sogar, als zögere er, sie hineinzulassen. Aber was blieb ihm übrig, es war kalt und dunkel, und sie war seinetwegen
gekommen, sie strahlte ihn an... Die beiden waren schließlich im Haus verschwunden.
    »Ich habe ferngesehen an dem Abend und bin dabei eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es fast Mitternacht. Erst dachte ich, ich sei von irgend etwas im Fernsehen aufgewacht, aber da lief ein

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