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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Riesenhaft war er gestaltet, wie eine Brust
atmete sein Stamm, weit streckte er die Äste, gleich schützenden
Armen. Stark, gut, mächtig und fruchtbar stand er da. Der Urälteste
des Gartens, Vater des Waldes, Stolz alles Grünenden, Freund der
Sonne, die tagtäglich in seinem Gipfel aufging, unterging. Aus
seiner grünen Wölbung taute alle Freude der Schöpfung nieder,
Blumendüfte, Vogelsang, Lichtgeflimmer, morgenkühles
Dämmererwachen, abendlaues Dämmerentschlafen. So saftreich war er,
daß es von seinen Rinden troff. Ein Dunst von Fruchtbarkeit umgab
ihn; wie das männliche Zeichen der Erde war. Der ganze Waldplatz
stand unter seinem Zauber, andere Bäume um ihn schichteten sich zu
undurchdringlicher Mauer, die ihn tief vereinsamte, in ein
Heiligtum von Schweigen und Halbdunkel; der ganze Horizont war
verdeckt, vom Himmel nichts mehr zu sehen, nur Grün ringsum, ein
von zärtlichen Blättern seiden verhangener Rundsaal,
der Boden mit Atlasmoosen samtig
überspreitet. Wie Versinken in kristallener Quelle war's, in
grünliche Durchsichtigkeit, Silberklare, von widerscheinendem
Schilf gedämpft. Farben, Düfte, Klänge, Schauer, alles blieb
unbestimmt, durchsichtig, ungreifbar, versunken in ein Glück, an
Auflösung alles Seienden grenzend. In reglosen, von keinem
Windhauch bewegten Zweigen hing Alkovenlässigkeit. Ersterbender
Sommernachtsschimmer über den nackten Schultern einer Liebenden,
kaum vernehmbares Liebesgestammel, das jäh in schweigend-tiefem
Krampf vergeht. Bräutliche Einsamkeit, von Wesensverschmelzung ganz
erfüllt, leeres Gemach, in dem hinter zugezogenen Vorhängen doch
irgendwo sich heiße Paarung ahnen läßt, der in Sonnenarmen
schmachtenden Natur. Ab und an ging ein Krachen durch das Innere
des Baumes; seine Glieder streiften sich wie die Glieder einer
Kreißenden. Der seinen Rinden entströmende Lebensschweiß regnete
reichlicher über die umgebenden Rasen, atmete weiche Begier,
durchtränkte die Luft mit Hingabe, so daß der Waldplan unter
Lustnebeln blaßte. Da war es, als schwankte der Baum, sein
Schattenbild, der Rasenteppich, dichte Baumgürtel, und löste sich
ganz in Wollust.
    Albine und Sergius standen verzückt, seitdem der Baum sie sanft
in seine Äste aufgenommen hatte, fühlten sie sich von der
unerträglichen, quälenden Spannung befreit. Furcht, die sie
voneinander getrieben hatte, war geschwunden, die heißen Kämpfe
waren zu Ende, von denen sie zerrissen wurden, ohne daß sich ihnen
offenbart hätte, gegen welchen Feind sie so wütend Widerstand
leisteten. Jetzt erfüllte sie vollkommenes Vertrauen, tiefster
Seelenfrieden. Sie überließen sich einer dem anderen, gaben
sich langsam der Freude hin, zusammen zu
sein, weit fort von allem, im wundertiefen Versteck.
    Noch ahnten sie nicht, was der Garten von ihnen forderte, frei
ließen sie ihn verfügen über ihre Zärtlichkeit. Ruhig erwarteten
sie, ohne Erregung, das Gebot des Baumes. In solche
Liebestrunkenheit versetzte er sie, daß die Lichtung vor ihrem
Blick schwand, sich königlich zu weiten schien in duftendem
Wiegen.
    Leise aufseufzend war sie stehengeblieben, ergriffen von der
aromatischen Kühle.
    »Die Luft schmeckt wie eine Frucht,« murmelte Albine.
    Sergius sagte sehr leise:
    »Das Gras ist so lebendig, daß mir ist, als schritte ich über
dein Kleid.«
    Ein frommes Gefühl ließ sie die Stimme dämpfen. Sie brachten
nicht einmal genügend Neugier auf, um in die Höhe zu sehen und den
Baum zu betrachten. Zu machtvoll lastete seine Majestät über ihren
Schultern. Albines Blick fragte, ob sie die Zauber des grünen
Geheimnisses übertrieben hätte.
    Als einzige Antwort rieselten zwei Tränen über Sergius'
Wangen.
    Unaussprechlich war ihre Freude, sich endlich am Ziel zu finden.
»Komm,« flüsterte er ihr ins Qhr, leiser als ein Hauch. Sie
streckte sich zuerst am Fuße des Baumes nieder. Lächelnd streckte
sie die Hände nach ihm, stehend reichte er ihr die seinen, auch er
lächelte. Als sie seine Hände hielt, zog sie ihn langsam zu sich.
Er fiel an ihrer Seite nieder und nahm sie gleich an seine Brust. –
Sie fühlten sich glücklich in dieser Umarmung.
    »Entsinnst du dich,« sagte er, »eine Mauer schien
uns zu trennen… Jetzt fühl' ich dich,
nichts Trennendes ist mehr zwischen uns… Leidest du noch?«
    »Nein, nein,« gab sie zur Antwort, »wohl ist mir.«
    Sie schwiegen, ohne ihre Umschlingung zu lösen. Eine süße
Erregung ergriff sie. Sergius wiederholte:
    »Dein Antlitz gehört mir, deine

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