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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Augen, dein Mund, deine
Wangen … Deine Arme sind mir zu eigen, von den äußersten
Fingerspitzen bis zu den Schultern. Deine Füße sind mein, deine
Knie, ganz und gar bist du mir angehörig.«
    Und er küßte ihr Gesicht, küßte ihre Augen, Mund und Wangen. Er
bedeckte ihre Arme mit Küssen, von den Fingerspitzen bis zu den
Schultern. Er küßte ihre Füße, ihre Knie. Er hüllte sie in einen
Regen von Liebkosungen, der in großen Tropfen fiel, lau wie
sommerlicher Regen, überall hin. Es war ein Besitzergreifen ohne
Wildheit, stetig und sieghaft vordringend bis zu den kleinsten
blauen Adern unter der rosigen Haut.
    »Um mich dir geben zu können, nehme ich dich,« begann er wieder.
»Ich will mich dir ganz ausliefern, auf immer; denn zu dieser
Stunde weiß ich wohl, du bist meine Herrin, meine Herrscherin, auf
den Knien muß ich dich anbeten, ich bin nur vorhanden, um dir
gehorsam zu sein, um dir zu Füßen zu liegen, deinen Willen zu
erraten, dich mit meinen Armen zu schützen, mit meinem Atem
treibende Blätter zu verscheuchen, die deine Ruhe stören könnten…
Oh, gewähre mir, daß ich mich ganz in dir auflöse, daß ich dir sei
wie Trank und Speise. Du bist meine Endbestimmung; seit ich
inmitten dieses Gartens zum Leben erwachte, bin ich auf dich
zugegangen, bin ich dir zugewachsen. Als
Ziel, als Lohn sah ich immer nur deine Gnade. Du standest in der
Sonne mit deinem goldenen Haar. Verkörperte Versprechung warst du,
daß ich durch dich eines Tages die irdischen Notwendigkeiten
erführe. Willen der Erde, der Bäume und Wasser, jener Himmel, deren
letztes Verständnis mir noch mangelt, ich bin dein Eigentum, dein
Sklave, ich küsse deine Füße, lausche deinen Worten.«
    Tief geneigt, sprach er zu ihr, anbetend beugte er sich der
Macht des Weibes. Albine ließ sich von Anbetung umwallen, hoher
Stolz erfüllte sie. Ihre Finger, Lippen, ihre Brüste überließ sie
den frommen Küssen des Geliebten. Als sie so demütig stark ihn vor
sich sah, fühlte sie sich als Königin. Er war bezwungen, hatte sich
ihr auf Gnade und Ungnade ergeben, ihrem Wink war er gehorsam. Und
bewußter noch wurde sie sich ihrer Macht in der Freude des Gartens
über ihren Sieg, in seiner langsam anschwellenden, jubelnden
Zustimmung.
    Sergius stammelte nur noch. Seine Liebkosungen verirrten sich.
Er flüsterte: »Oh, wissen möchte ich… Ich möchte dich an mich
reißen, dich ganz für mich behalten, vielleicht sterben, oder in
Lüfte mit dir entschweben, ich weiß nicht, was… «
    Sie waren beide zurückgesunken und schwiegen, ihr Atem setzte
aus, die Sinne schwanden ihnen. Mit letzter Anstrengung hob Albine
einen Finger, Sergius sollte lauschen. Der Garten bestimmte ihren
Fall. Lange Wochen hindurch lehrte er sie Zärtlichkeit, um am
letzten Tag ihnen die grüne Nische aufzutun. Versucher war er nun,
der mit allen Mitteln zur Liebe sie verführte. Vom Blumengarten
hoben sich Düfte süß geschwächter Blumen,
ein langes Flüstern, das Hochzeit der Rosen kündete, Wollust der
Veilchen. Und nie dampfte Begier des Heliotrop in heißerer
Sinnlichkeit auf. Vom Obstgarten her trug der Wind den Atem reifer
Früchte, einen üppig reichen Geruch, Vanilleduft der Aprikosen,
Moschushauch der Orangen, tiefer hob sich die Stimme der Wiesen,
aus dem Zusammenklang gebildet des Millionenchores seufzend
sonnengeküßter Gräser, weite Klage zahllos heißer Menge, die sich
rühren ließ von kühler Liebkosung der Flüsse, Nacktheit rieselnder
Bäche, an deren Ufern Weiden begehrlich träumten. Vom Wald wehte
machtvolle Leidenschaft der Eichen, Orgelton des Hochwaldes, wie
Feiermusik, die Buchen, Birken, Ulmen und Platanen, inmitten
grünender Heiligtümer, zur Hochzeit anführte. Indessen Strauchwerk,
junge Stämme lustig sich bäumten, im heiteren Getriebe sich
verfolgender Liebespaare, die am Grabenrand sich niederwerfen,
inmitten rauschender Äste sich's wohl sein lassen. Doch die
wildesten Verschmelzungen im Paarungsgewühl des Gartens fanden
statt fernhin auf den Felsen, dort, wo Hitze die
leidenschaftgeblähten Steine zerriß, wo Stachelpflanzen tragisch
liebten, ohne Beruhigung zu empfangen von benachbarten Quellen, wie
sie entzündet vom Gestirn, das auf ihr Lager niederstieg.
    »Was ist ihr Begehr?« murmelte Sergius, außer sich. »Was
verlangen sie von uns, was erbitten sie?«
    Albine preßte ihn wortlos an sich.
    Die Stimmen verdeutlichten sich. Nun forderten auch die Tiere
des Gartens ihre Einigung. Grillen zirpten

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