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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sterbenssüße
Zärtlichkeit, Falter stäubten flatternden Flügels Küsse umher. Die
Sperlinge trieben Sekundenkurzweil, ergingen sich in Liebkosungen, wie Sultane im Harem.
In klaren Fluten lagerten Fische ihren Laich in die Sonne. Ruf der
Frösche schallte in trauriger Innigkeit, überall breitete sich
Leidenschaft geheimnisvoll über dem unbewegten Schilfgewässer. In
der Tiefe des Waldes tönte wollüstig perlendes Lachen der
Nachtigall, wildbegehrlich schrien die Hirsche, fast verhauchten
sie neben ersterbenden Rehen. Und auf den Felsenplatten, entlang am
dürren Gebüsch, lagen zu zwei und zwei ineinanderverschlungen
zischende Nattern, und große Eidechsen bebrüteten ihre Eier mit
wohlig bebendem Rückgrat. Aus entferntesten Winkeln, Sonnenstreifen
und Schattenhöhlen stieg tierischer Dunst, durchhitzt vom
Allbegehren. Zeugungsschauer durchrieselten das wimmelnde
Gartenleben. Unter jedem Blatt paarten sich Insekten; auf jedem
Grasfleck mehrten sich Geschlechter. Bunte Fliegen durchtaumelten
eng aneinandergepreßt die Luft. Unwahrnehmbares Leben der Materie,
die Atome des Stofflichen selbst liebten sich, vermischten sich,
wollüstig erzitterte die ganze Scholle, wandelte den Garten zu
einem einzigen weiten Beilager. Da dämmerte Verständnis in Albine
und Sergius. Er sagte nichts, preßte sie an sich, fester und
fester. Sie waren eingehüllt von schicksalshafter
Zeugungsnotwendigkeit, und gaben den Forderungen des Gartens nach.
Der Baum flüsterte Albine ins Ohr, was Mütter sonst am
Hochzeitsabend Bräuten zuraunen.
    Albine gab sich hin. Sergius ergriff Besitz von ihr.
    Und der ganze Garten löste sich mit dem Paar in letztem
Aufschrei der Leidenschaft. Die Stämme bogen sich wie bei starkem
Wind, den Gräsern entrang sich trunkenes Schluchzen; mit geöffneten
Lippen verhauchten die Blumen; selbst am
Himmel, den Untergang des Sonnengestirns durchlohte, standen
unbeweglich Wolken, ohnmächtig ruhendes Gewölk, übermenschlichem
Entzücken entquollen. Tiere, Pflanzen, alles Leben, das Eindringen
dieser beiden Kinder in die Lebensewigkeit begehrte, hatte gesiegt.
Machtvoll tat der Garten seinen Beifall kund.

Kapitel 16
     
    Als Albine und Sergius aus glückseliger Betäubung erwachten,
lächelten sie sich an. Von lichten Ländern kehrten sie zurück. Aus
Höhen mußten sie niederwärts finden. Dankbar preßten sie sich die
Hände, kamen langsam zur Besinnung und sagten:
    »Ich liebe dich, Albine!«
    »Sergius, ich liebe dich!« Und nie noch war den Worten »ich
liebe dich« so wundersame Bedeutsamkeit zu eigen gewesen. Sie
schlossen alles in sich ein, klärten alles. In zeitlos seliger Ruhe
verblieben sie dort und umarmten sich immer wieder, vollkommen
erlöst empfanden sie ihr Wesen. Freude an den Schöpfungsgewalten
durchhellte sie, stellte sie den Muttermächten der Erde gleich,
ließ sie selbst sich wie Erdkräfte empfinden. Auch lag in ihrem
Glück die Gesichertheit der Gesetzeserfüllung, die tiefe Beruhigung
am Schritt für Schritt logisch erreichten Ziele.
    Sergius schloß sie wieder in starke Arme und sagte: »Sieh mich
an, ich bin geheilt; du hast mir deine ganze Gesundheit
geschenkt.«
    Albine antwortete in innigster Hingebung:
    »Nimm mich ganz, mein Leben gehört dir.«
    Bis in die Lippen stieg ihnen Lebensfülle.
Erst in Albines Besitz fand Sergius seine Männlichkeit, volle
Muskelkraft, Herzensmut, jene letzte Gesundheit, die bis jetzt
seinem unentwickelten Wesen gemangelt hatte. Jetzt erst empfand er
sich vollständig. Seine Sinne hatten an Klarheit gewonnen, sein
Verstand weitete sich. Es war, als sei er löwenhaft erwacht,
überblickte königlich Land und freie Himmel. Er erhob sich, fest
standen seine Füße auf dem Boden, glieder-stolz reckte sich sein
Körper. Er zog Albine an den Händen in die Höhe. Sie wankte etwas,
er mußte sie stützen. »Fürchte dich nicht,« sagte er, »du bist auf
immer meine Geliebte.« Nun war sie die Dienende. Sie lehnte den
Kopf an seine Schulter und sah ihn an, besorgt und dankbar. Würde
er ihr das Geschehene verzeihen? Würde er ihr eines Tages nicht
grollen, wegen der Anbetung dieser Stunde, die ihn zum Sklaven
gemacht hatte? »Bist du mir nicht böse?« sagte sie demütig. Er
lächelte, ordnete ihr das Haar und streichelte sie mit den
Fingerspitzen, wie ein Kind. Sie fuhr fort: »Du wirst sehen, ich
werde ganz bescheiden sein, du wirst meine Gegenwart kaum
wahrnehmen, aber du mußt mir erlauben, dicht bei dir zu bleiben,
nicht wahr? In deinen Armen,

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