Die Sünde des Abbé Mouret
weiter zurück, raffte
von einem Steinhaufen am Weg einen Stein in der Größe zweier Fäuste
auf und warf ihn Jeanbernat an den Kopf. Hätte dieser sich nicht
gebückt, wäre die Stirne ihm zerschmettert
worden. Er lief zum nächsten Steinhaufen, duckte sich und griff
nach Steinen. Und von einem Haufen zum anderen entspann sich ein
schrecklicher Kampf. Es regnete Steine. Scharf zeichneten sich die
Schatten im scharfen Mond.
»Ja, ins Bett hast du sie ihm gesteckt,« wiederholte der Bruder
außer sich. »Und ein Kruzifix hast du unter die Matratze gelegt,
damit der Unrat darauf fiele … Ha, ha, du wunderst dich wohl,
daß ich alles weiß. Du erwartest von dieser Verschmelzung die
Geburt irgendeines Ungeheuers. Jeden Morgen machst du die dreizehn
höllischen Zeichen über dem Bauch deiner Dirne, damit sie den
Antichrist zur Welt bringt. Den Antichrist wünschest du dir,
Räuber! … Da, einäugig soll der Stein dich machen!«
»Und dieser dir den Schnabel schließen!« erwiderte Jeanbernat,
der seine Ruhe zurückgewonnen hatte. »Was für törichte Geschichten
dieses Biest erzählt! … Muß ich dir denn den Schädel einhauen,
um meinen Weg fortsetzen zu können? Hat dein Katechismus dir den
Verstand verrückt?«
»Der Katechismus? Willst du den Katechismus kennenlernen, den
man Verfluchten deiner Sorte beibringt? Jawohl, ich will dich
lehren das Kreuz schlagen … Das ist für den Vater, das für den
Sohn und das für den Heiligen Geist … Ah, du stehst noch.
Warte nur, warte … Amen!«
Er eröffnete ein Kartätschenfeuer kleiner Steine. Jeanbernat, an
der Schulter getroffen, ließ die Steine, die er in der Hand hatte,
fallen und ging ruhig vor, während der Bruder neue Steine aus dem
Haufen zusammensuchte und stammelte:
»Ich rotte dich aus. Gott will es. Gott
stärkt meinen Arm!«
»Willst du dein schmieriges Maul halten?« sagte der Alte und
bekam ihn beim Genick.
Es gab ein kurzes Ringen im mondblauen Straßenstaub. Der Bruder
merkte, daß er der Schwächere sei und versuchte zu beißen. Die
vertrockneten Glieder Jeanbernats waren wie Kordelstränge, die ihn
so eng umwanden, daß die Knoten ihm ins Fleisch schnitten. Er
schwieg, der Atem verging ihm, er sann auf Verrat. Als er ihn unter
sich hatte, höhnte der Alte weiter:
»Ich hätte Lust, dir den Arm zu zerbrechen, um deinen lieben
Gott zu zerbrechen. Siehst du wohl, daß er nicht der Stärkere ist,
dein lieber Gott? Ich bin es, der dich ausrottet. Die Ohren werde
ich dir jetzt abschneiden. Du hast mich zu sehr geärgert.«
Und in aller Gemütsruhe zog er ein Messer aus der Tasche.
Der Abbé Mouret hatte verschiedentlich vergeblich versucht, sich
zwischen die Kämpfenden zu werfen; jetzt legte er sich so heftig
ins Mittel, daß Jeanbernat endlich beschloß, diese Operation auf
später zu verschieben.
»Sie haben Unrecht, Pfarrer,« murrte er. »Dieser Kerl bedarf
eines Aderlasses. Schließlich, wenn's Ihnen so zuwider ist, will
ich noch warten. Ich werde ihn schon noch irgendwo
wiedertreffen.«
Da der Bruder ein Gegurgel von sich gab, unterbrach er sich, um
ihn anzuschreien:
»Rühr' dich nicht, oder du bekommst sie gleich
abgeschnitten.«
»Sie sitzen aber auf seiner Brust,« sagte
der Priester. »Gehen Sie doch herunter, damit er atmen kann.«
»Nein, nein, er ließe seine Witze nicht. Ich werde ihn
loslassen, wenn ich gehe… Ich sagte Ihnen also gerade, Pfarrer, als
dieser Lump sich zwischen uns warf, daß Sie immer willkommen sind
da drüben. Die Kleine hat zu bestimmen, müssen Sie wissen. Ich
lasse ihr die gleiche Freiheit wie meinem Salat. Das alles wächst
eben … Was ist wohl schlimm daran, Halunke! Du hast es
erfunden, das Böse, du Vieh!«
Er schüttelte den Bruder von neuem.
»Lassen Sie ihn aufstehen,« bat der Abbé Mouret.
»Nachher… die Kleine ist nicht gut im Stand seit einiger Zeit.
Ich hab's nicht gemerkt, aber sie sagte es mir. Ich will Ihren
Onkel Pascal in Plassans benachrichtigen. Nachts hat man Ruhe, man
trifft keinen Menschen … Ja, ja, der Kleinen geht es nicht
gut.«
Der Priester fand keine Worte; er wankte und senkte das
Haupt.
»Es hat ihr so Freude gemacht, Sie zu pflegen,« fuhr der Alte
fort. »Beim Pfeifenrauchen hörte ich ihr Lachen. Das genügte mir.
Mädchen sind wie der Hagedorn: gelangen sie zur Blüte, tun sie
alles, was sie können … Na, jedenfalls kommen Sie, wenn das
Herz Sie zieht … Vielleicht macht es der Kleinen Spaß …
Guten Abend, Pfarrer.«
Langsam erhob er sich,
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