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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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großen Stuhl gestiegen und drehte in seinen Armen das
große Weinbehältnis um; gerade leerte er die letzten Tropfen in den
offenen Mund Katharinas.
    »Vielen Dank, Herr Pfarrer,« rief Bambousse, als er den Priester
hinausbegleitete. »Jetzt sind die Kinder ja verheiratet, und Sie
können zufrieden sein. Ach, das Gesindel. Glauben Sie nur nicht,
daß die ihr Ave und Vaterunser nachher beten. Gute Nacht, schlafen
Sie wohl, Herr Pfarrer.«
    Bruder Archangias löste sich langsam vom Wagenkasten, auf dem er
sich niedergelassen hatte.
    »Der Teufel soll ihnen schaufelweise Kohlen
dazwischen werfen, und verrecken sollen sie daran!«
    Er tat die Lippen nicht mehr auf und begleitete den Abbé Mouret
bis zum Pfarrhof. Dort wartete er, bevor er weiterging, bis jener
die Türe hinter sich geschlossen hatte. Er wandte sogar zweimal den
Kopf, um sicher zu sein, daß der Priester nicht wieder heraustrat.
Als der Abbé Mouret in seinem Zimmer war, warf er sich vollkommen
angekleidet auf das Bett, preßte das Gesicht in die Kissen und
hielt sich die Ohren zu, um nichts mehr zu hören – nichts mehr zu
sehen. Er verfiel in einen todähnlichen Schlaf.

Kapitel 6
     
    Der nächste Tag war ein Sonntag. Da so der Tag der Kreuzerhebung
mit einem Hochamt zusammenfiel, wollte der Abbé Mouret dieses Fest
mit besonderem Glanz umgeben. Er hatte sich einer außerordentlichen
Verehrung zum Kreuz ergeben; in seinem Zimmer hatte er an die
Stelle der unbefleckten Empfängnis ein großes schwarzes
Holzkruzifix gestellt, vor dem er lange Stunden der Anbetung
hinbrachte. Das Kreuz erhöhen, es vor sich aufrichten in alles
überragender Glorie, dies als einzigstes Streben seines Lebens, gab
ihm Kraft zum Leiden und zum Kampf. Er erträumte, sich an Jesu
Statt dem Kreuz zu binden, dornengekrönt, mit durchbohrten Gliedern
und verwundeter Seite. Was für ein Feigling war er doch, daß er es
wagte, über eine unwirkliche Wunde zu stöhnen, wenn sein Gott dort
seinen Leib verbluten ließ mit dem Erlöserlächeln um die Lippen?
Und so erbärmlich es auch war, er brachte
sein Leid als Opfergabe dar; in endlicher Entzückung vermeinte er,
sein Blut riesele ihm über Stirne, Brust und Glieder. Trostreiche
Stunden waren das, alle Unreinheit strömte aus durch die Wunden. In
märtyrerhaftem Heldentum bäumte er sich, ersehnte schreckliche
Foltern, um sie ohne das geringste Zurückbeben seines Leibes zu
ertragen.
    Schon bei Morgengrauen kniete er vor dem Kruzifix. Und die Gnade
fiel wie reicher Tau. Keiner Anstrengung bedurfte er, er brauchte
nur das Knie zu beugen, um sie über sein Herz fließen zu fühlen, um
von ihr durchtränkt zu werden bis auf die Knochen, süß und
beseligend. Am Tag zuvor hatte er tödlich gerungen, ohne sie
erlangen zu können. Lange blieb sie taub seinem Verdammnisklagen;
er wurde oftmals erhört, wenn er nur noch mit einer kindlichen
Bewegung die Hände zu falten vermochte. An diesem Morgen ward ihm
Segen, völlige Ruhe und unerschütterlicher Glaube beschieden. Er
vergaß die Beängstigungen der vorhergehenden Tage. Er gab sich ganz
sieghaften Kreuzfreuden hin. Ein so undurchdringlicher Panzer legte
sich um ihn, daß die Welt von ihm abschäumte. Als er herunterkam,
ging er einher als Überwinder und in vollkommener Ruhe. Die tief
verwunderte Teusin holte Desiderata herbei, damit er sie umarme.
Beide schlugen die Hände über dem Kopf zusammen mit dem Ruf, seit
sechs Monaten habe er nicht so gut ausgesehen.
    In der Kirche beim Hochamt fand der Priester sich dann wieder
vollkommen zu Gott. Lange war er dem Altar nicht genaht in solcher
Rührung. Er mußte an sich halten, um nicht in Tränen auszubrechen
beim Küssen des Altares. Es war ein feierliches
Hochamt. Rosaliens Onkel, der Feldhüter,
sang am Sängerpult mit einem Baß, dessen Orgeltöne unter'm flachen
Gewölbe dröhnten. Vinzenz, in einem zu weiten Chorhemd, das dem
Abbé Caffin gehört hatte, schwenkte ein altes silbernes
Weihrauchbecken. Die klirrenden Ketten machten ihm einen
Heidenspaß, er schwenkte das Räuchergefäß sehr hoch, um starken
Rauch zu erzeugen und sah sich um, ob niemand zum Husten gebracht
würde. Die Kirche war fast voll. Man wollte die Malerei des Herrn
Pfarrers betrachten. Die Bäuerinnen kicherten, weil es gut roch,
während die Männer hinten unter der Tribüne mit dem Kopf nickten
bei jedem ungewöhlich hohlen Ton, den der Vorsänger von sich gab.
Durch die Fenster schien die helle Zehnuhrsonne, gedämpft durch die
Papierscheiben und

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