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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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bemusterte lustig die frisch getünchten Wände,
auf denen Schatten der Frauenhauben einen Flug großer
Schmetterlinge zeichneten.
    Und selbst die Sträuße künstlicher Blumen auf dem Altaraufsatz
waren angetan mit der taufrischen Freude natürlicher,
frischgepflückter Blumen. Als der Priester sich wandte, um die
Anwesenden zu segnen, fühlte er sich von noch höherer Rührung
durchdrungen, als er die Kirche so sauber, belebt, von Licht,
Weihrauch und Musik erfüllt, erblickte. Nach dem Offertorium lief
ein Raunen durch die Reihen der Bäuerinnen. Vinzenz, der vor
Neugier einen langen Hals machte, warf um ein Haar die Glut des
Weihrauchfäßleins über das Meßgewand des Priesters. Als dieser ihn
streng ansah, wollte er sich entschuldigen und sagte:
    »Der Onkel des Herrn Pfarrers ist gerade hereingekommen.«
    Im Hintergrund der Kirche, an eine der
dünnen, die Galerie stützenden Holzsäulen gelehnt, gewahrte der
Abbé Mouret den Doktor Pascal; doch sein Gesicht trug nicht das ihm
gewöhnliche gute, etwas spöttische Lächeln. Er hatte den Hut
abgenommen, ernst und geärgert folgte er der Messe mit sichtbarer
Ungeduld. Der Anblick des Priesters, seine Sammlung und feierlichen
Gebärden, die vollkommene Seelenruhe seines Antlitzes schienen ihn
mehr und mehr aufzubringen. Er vermochte das Ende der Messe nicht
abzuwarten, sondern ging hinaus und umschritt im Bogen Wagen und
Pferd, die er an einen der Läden des Pfarrhauses angebunden
hatte.
    »Zum Kuckuck! Hat der Bengel sich denn noch nicht bald genug
beräuchern lassen?« fragte er die aus der Sakristei kommende
Teusin.
    »Es ist aus,« erwiderte sie. »Gehen Sie in den Salon. Der Herr
Pfarrer kleidet sich um. Er weiß, daß Sie da sind.«
    »Da müßte er ja auch blind sein,« murmelte der Doktor und folgte
ihr in das unwohnliche Zimmer mit den harten Möbeln, das sie
pomphaft Salon nannte.
    Eine Weile ging er auf und ab. Das Zimmer in seiner grauen
Trübseligkeit verschärfte seine schlechte Laune. Im Gehen schlug er
mit dem Ende seines Stockes leicht auf die zerfressenen Polster der
Sitzmöbel; es tönte, als ob Steine geklopft würden. Dann blieb er
müde vor dem Kamin stehen, auf dem an Stelle der Uhr ein
schauderhaft bekleckster großer heiliger Joseph stand.
    »Ah, das ist ein Glück!« sagte er, als die Türe hinter ihm
knarrte. Und auf den Abbé zugehend:
    »Weißt du auch, daß ich wegen dir eine halbe Messe habe über mich ergehen lassen müssen? Lange ist es
her, daß mir das passiert ist … Ich wollte dich unter allen
Umständen heute sehen. Ich habe mit dir zu reden … «
    Er sprach nicht aus und betrachtete den Priester überrascht. Es
entstand eine kleine Stille.
    »Dir also geht es gut!« nahm er das Gespräch mit veränderter
Stimme wieder auf.
    »Ja, mir geht es viel besser,« sagte der Abbé Mouret lächelnd.
»Ich erwartete Sie erst am Donnerstag. Der Sonntag ist sonst nicht
Ihr Tag … Haben Sie mir etwas mitzuteilen?«
    Aber Onkel Pascal antwortete nicht gleich. Er fuhr fort, den
Abbé zu betrachten. Dieser war noch ganz getränkt in laue
Kirchenlüfte; in seinem Haar hing Weihrauchduft; auf dem Grund
seiner Augen schimmerte noch Kreuzverzückung. Der Onkel mußte den
Kopf schütteln angesichts dieses sieghaften Friedens.
    »Ich komme vom Paradeis,« sagte er mit einiger Plötzlichkeit.
»Jeanbernat hat mich gestern nacht geholt … Ich habe Albine
besucht. Sie macht mir Sorge. Sie muß sehr geschont werden.«
    Während er sprach, beobachtete er unablässig den Priester, der
mit keiner Wimper zuckte.
    »Immerhin hat sie dich gepflegt,« fügte er barscher hinzu. »Ohne
sie, mein Junge, wärest du jetzt vielleicht in einer Irrenzelle mit
der Zwangsjacke über den Schultern … Nun, ich habe
versprochen, daß du sie besuchen wirst. Ich nehme dich mit. Auf und
davon will sie.«
    »Ich vermag nur zu beten für die Persönlichkeit, von der Sie
reden,« sagte der Abbé Mouret sanft.
    Und als der Doktor auffuhr und dem Sofa
einen heftigen Hieb überzog:
    »Ich bin Priester und habe nichts als Gebete zu vergeben,«
schloß er einfach mit fester Stimme.
    »Und recht hast du!« rief Onkel Pascal und ließ sich in einen
Sessel fallen, die Beine trugen ihn nicht mehr. »Ich bin ein alter
Idiot. Geweint habe ich in meinem Wagen auf dem Weg hierher. Das
kommt davon, wenn man sich in seine Bücher vergräbt. Man erzielt
schöne Erfolge, handelt aber unehrlich … Konnte ich mir denn
träumen lassen, daß alles so schlecht enden würde?«
    Er stand

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