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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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verspreche es dir.«
    »Wann? Donnerstag?« drang sie in ihn, »du weißt doch, die Kuh
ist trächtig. Seit ein paar Tagen ist es nicht richtig mit
ihr … Du bist doch Arzt, vielleicht kannst du ihr etwas
eingeben.«
    Der Abbé Mouret, der seelenruhig dabeigestanden hatte, konnte
ein leises Lachen nicht unterdrücken. Der Doktor stieg lustig in
seinen Wagen und sagte:
    »Ganz recht, ich werde die Kuh behandeln … Komm her, laß
dich küssen, großes Tierchen! Du riechst gut, du riechst nach
Gesundheit. Und du bist mehr wert als alle anderen zusammen. Wenn
alle wären wie mein großes Tier, wäre es unerträglich schön auf der
Erde.«
    Er trieb sein Pferd mit leichtem Zungenschnalzen an und sprach
weiter vor sich hin, während der Wagen den Hang hinab fuhr.
    »Jawohl, unvernünftige Geschöpfe! Nur unvernünftige Geschöpfe
sollte es geben. Dann könnte man schön, stark, froh sein. Ach, das
ist ein schöner Traum. Dem Mädchen geht es gut; sie ist genau so
glücklich wie ihre Kuh. Dem Jungen ergeht es schlecht; er ertötet
sich unter seiner Sutane. Etwas mehr Blut, etwas mehr Nerven und
auf und davon! Verfehltes Dasein! Richtige Rougon,
richtige Macquart sind diese Kinder hier!
Das Ende des Zuges, die endgültige Entartung.«
    Und sein Pferd antreibend, fuhr er im Trabe den Hügel hinan, dem
Paradeis zu.

Kapitel 7
     
    Der Sonntag war für den Abbé Mouret ein sehr beschäftigter Tag.
Er hatte den Nachmittagsgottesdienst zu halten, meist vor leeren
Stühlen, selbst die Brichet trieb die Frömmigkeit nicht so weit, am
Nachmittag nochmals zur Kirche zu kommen. Um vier Uhr brachte dann
Bruder Archangias die Lümmel seiner Schule, damit sie dem Herrn
Pfarrer den Katechismus hersagten. Dies Hersagen dauerte oft sehr
lange. Führten die Kinder sich zu unbotmäßig auf, rief man die
Teusin, die ihnen mit ihrem Besen Furcht einjagen mußte.
    An diesem Sonntag, gegen vier Uhr, befand Desiderata sich allein
im Pfarrhof. Da sie sich langweilte, ging sie, um Grünzeug für ihre
Kaninchen auf dem Friedhof zu suchen, wo wunderbarer Klatschmohn
wuchs, den die Kaninchen ungemein liebten. Auf den Knien kroch sie
zwischen den Gräbern umher, eine ganze Schürze fetter Kräuter
brachte sie mit, auf die ihre Tiere sich gierig stürzten.
    »Oh, der schöne Wegerich!« murmelte sie und kauerte sich vor dem
Stein des Abbé Caffin nieder, froh ihrer Entdeckung.
    Wirklich reckte hier aus den Steinspalten prächtiger Wegerich
die breiten Blätter. Ihre Schürze war voll, da glaubte sie ein
sonderbares Geräusch zu vernehmen. Ein Knacken von Zweigen, ein
Losbröckeln kleinen Gesteins ließ sich
vernehmen aus der Schlucht, die eine Seite des Kirchhofes der Länge
nach durchschnitt, in deren Tiefen der Mascle floß, ein auf den
Hügeln des Paradeis entspringender Fluß. Der Abhang war so steil
und ungangbar. Desiderata dachte, es müsse irgendein verirrter Hund
oder eine entlaufene Ziege sein. Voll Eifer lief sie hin. Als sie
sich über den Rand vorbeugte, sah sie zu ihrer Verwunderung im
Dornengestrüpp ein Mädchen, das sich die kleinsten Felsunebenheiten
zunutze machte mit außerordentlicher Gewandtheit.
    »Ich will Ihnen die Hand geben,« rief sie ihm zu, »man kann sich
mit Leichtigkeit den Hals brechen.«
    Das Mädchen sah sich entdeckt und machte eine angstvolle
Bewegung, wie um wieder hinabzuklimmen. Doch hob sie den Kopf und
erkühnte sich sogar, die ausgestreckte Hand zu ergreifen.
    »Oh, jetzt erkenne ich Sie,« fuhr Desiderata entzückt fort und
ließ ihre Schürze fallen, um es in schmeichlerischer Kindlichkeit
zu umfangen. »Sie haben mir die Amseln geschenkt. Die süßen Kleinen
sind gestorben. Es hat mir rechten Kummer gemacht … Warten
Sie, ich weiß Ihren Namen, ich hab' ihn gehört. Die Teusin nennt
ihn oft, wenn Sergius nicht da ist. Sie hat mir streng verboten,
ihn auszusprechen … Warten Sie, gleich fällt er mir ein.«
    Sie strengte ihr Gedächtnis an; das ließ sie ganz ernsthaft
werden. Dann wurde sie wieder sehr lustig und wiederholte mehrfach
den wohlklingenden Namen, nachdem er ihr wieder eingefallen
war.
    »Albine! Albine! … Wie weich das klingt! Zuerst dachte ich,
Sie seien eine Meise, weil ich einmal eine Meise besaß, die ich so ähnlich nannte; wie, weiß ich
nicht mehr genau.«
    Albine blieb ernst. Sie war ganz weiß, in ihren Augen brannte
Fieber. Einige Bluttropfen rannen ihr über die Hände. Als sie etwas
zu Atem gekommen war, sagte sie hastig:
    »Nein, lassen Sie nur, wenn Sie mich abtupfen,

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