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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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bekommt ihr
Taschentuch Flecke. Es hat nichts zu bedeuten,, ein paar kleine
Hautrisse … Ich wollte den Weg nicht benutzen, weil man mich
gesehen hätte. So folgte ich lieber dem Lauf des Flusses. Ist
Sergius da?«
    Desiderata nahm keinen Anstoß an der vertraulichen Anrede und
ihrer verhaltenen Leidenschaftlichkeit. Sie gab zur Antwort, dort
in der Kirche sei er, bei der Katechismusunterweisung.
    »Wir dürfen nicht laut sprechen,« fügte sie bei und legte den
Finger an die Lippen. »Sergius hat mir verboten, laut zu sprechen,
wenn er bei der Katechismusunterweisung ist. Sonst kommt man und
schilt uns … Im Stall wollen wir uns verstecken, haben Sie
Lust? Da sind wir gut aufgehoben und können reden.«
    »Ich möchte Sergius sehen,« sagte Albine einfach.
    Das große Kind senkte die Stimme noch mehr. Sie warf vorsichtige
Blicke nach der Kirche und flüsterte:
    »Ja, o ja, wir werden Sergius schon fangen. Kommen Sie mit. Wir
wollen uns verstecken und keinen Lärm machen. Oh, wie lustig ist
das!«
    Sie raffte einen Haufen Kräuter auf, die ihrer Schürze entfallen
waren, verließ den Kirchhof und schlich sich auf den Pfarrhof
zurück mit vieler Vorsicht, riet Albine, sich hinter ihr zu verstecken und ganz klein zu machen.
Als sie beide laufend im Wirtschaftshof Zuflucht suchten,
erblickten sie die Teusin, welche die Sakristei durchquerte;
anscheinend hatte sie nichts von ihnen gesehen.
    »Pst! Pst!« machte Desiderata entzückt, als sie sich im
Hintergrund des Stalles verkrochen. »Jetzt kann uns niemand mehr
aufstöbern. Hier liegt Stroh. Legen Sie sich doch hin.«
    Albine mußte sich auf ein Heubündel niederlassen.
    »Und Sergius?« fragte sie eigensinnig, beherrscht von ihrem
Gedanken.
    »Da, man kann seine Stimme hören … Wenn er in die Hände
schlägt, ist es aus, dann gehen die Kleinen nach Hause … Hören
Sie nur, er erzählt ihnen eine Geschichte.«
    Die Stimme des Abbés Mouret drang gedämpft bis zu ihnen durch
die Türe der Sakristei; sicherlich hatte die Teusin die Türe offen
gelassen. Wie ein frommes Wehen drang dies Gemurmel zu ihnen,
dreimal tönte der Name Jesu. Albine schauerte zusammen. Sie stand
auf, um der geliebten, zärtlich-bekannten Stimme nachzugehen; da
verging der Laut, von der zufallenden Türe erstickt. So setzte sie
sich wieder; sie schien auf etwas zu warten, mit
ineinandergepreßten Händen, ganz in Gedanken versunken, der in den
Tiefen ihrer klaren Augen brannte. Desiderata, zu ihren Füßen
gelagert, betrachtete sie in kindlicher Bewunderung.
    »Oh, wie schön Sie sind!« flüsterte sie. »Sie gleichen dem Bild
einer Frau, das in Sergius' Zimmer hing. Sie war ganz weiß wie Sie.
Lange Locken hatte sie, die über ihren Hals wehten. Und sie zeigte
auf ihr rotes Herz, da, an der Stelle, wo
ich Ihres schlagen fühle … Sie hören mir nicht zu, Sie sind
betrübt. Wollen wir spielen? Wollen Sie?«
    Aber sie unterbrach sich und rief mit gedämpfter Stimme:
    »Die Luder! Sie werden uns verraten.«
    Sie hatte die Schürze mit Grünzeug nicht fahren lassen, und ihre
Tiere überfielen sie. Eine Schar Hühner war gackernd
herbeigestürzt; sie riefen sich und pickten nach den baumelnden
Halmen. Die Ziege schob listig ihren Kopf unter ihrem Arm durch und
riß große Blätter ab. Selbst die an die Mauer angebundene Kuh
streckte ihr Maul vor und geriet in Hitze.
    »Ach, das Diebspack,« sagte Desiderat«. »Für die Kaninchen ist
das! … Wollt ihr mich wohl in Frieden lassen! Du wirst eine
Tracht Prügel bekommen. Und du, wenn ich dich noch einmal erwische,
wird dir der Schwanz gekappt … Dieses Ungeziefer, die Hände
würden sie mir abfressen.«
    Sie ohrfeigte die Ziege, trieb die Hühner mit Fußtritten
auseinander und schlug mit aller Kraft der Kuh auf das Maul. Aber
die Tiere schüttelten sich nur und wurden noch gieriger, sprangen
auf sie, fielen von allen Seiten über sie her und rissen ihr die
Schürze fort. Unter Augenzwinkern flüsterte sie Albine ins Ohr, als
ob die Tiere sie hätten verstehen können:
    »Wie sie drollig sind, die Lieblinge! Warten Sie nur, jetzt
können Sie sehen, wie sie futtern.«
    Albine sah mit ernster Miene zu. »Hopp, seid brav,« begann
Desiderata wieder. »Es ist genug für euch alle da. Aber einer nach
dem anderen. Erst die große Liese. Du bist
nett scharf auf Wegerich, was?«
    Die große Liese war die Kuh. Langsam malmte sie eine Handvoll
Grünzeug, das auf dem Grab des Abbé Caffin gewachsen war. Ein
dünner Speichelfaden hing ihr aus dem

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