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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gehört, er ist noch
nicht zu Ende. Wir haben nicht schlecht gelärmt vorhin, die Teusin
scheint taub zu sein heute abend. Wir
wollen uns jetzt ruhig verhalten; es ist angenehm, dem Rauschen des
Regens zuzuhören.«
    Es regnete herein durch die offen stehende Türe, große Tropfen
sprangen auf der Schwelle. Zum Teil hatten sich die Hühner, nach
anfänglichem Vorwitz, besorgt in den Hintergrund des Stalles
zurückgezogen. Alles Getier suchte hier Schutz bei den jungen
Mädchen, bis auf drei Enten, die ruhig im Regen spazierten. Es war,
als ob die Kühle des draußen fließenden Wassers die heißen Dünste
des Wirtschaftshofes ins Innere zurückdrängte. Im Heu war es sehr
warm. Desiderata schleppte zwei große Bündel herbei und verwendete
sie als Bettkissen, streckte sich der Länge nach. Sie fühlte sich
behaglich, genoß mit dem ganzen Körper.
    »So ist's schön,« murmelte sie, »machen Sie es sich doch auch
bequem. Ich sinke ein, ich bin von allen Seiten gestützt, das Heu
kitzelt mich angenehm im Nacken … und wenn man sich bewegt,
überlauft es einen so, als ob Mäuse unter den Kleidern
sprängen.«
    Sie reckte sich und lachte vor sich hin, schlug nach rechts und
links, wie um die Mäuse zu verscheuchen. Dann lag sie da, mit dem
Kopf tiefer als mit den Knien, und redete weiter:
    »Wälzen Sie sich auch im Heu, wenn Sie zu Hause sind? Ich kann
mir nichts Angenehmeres denken … Manchmal kitzele ich mich an
den Fußsohlen. Das ist auch sehr lustig … Sagen Sie, kitzeln
Sie sich auch?« Doch da sprang ihr, als er sie so liegen sah, der
große rote Hahn auf die Brust.
    »Mach', daß du fortkommst, Alexander!« schrie sie auf. »Ist das
Biest albern! Ich kann mich nicht hinlegen, ohne daß er sich so aufpflanzt. Du drückst mich zu sehr,
tust mir weh mit deinen Krallen, hörst du mich? … Ich will dir
erlauben, sitzenzubleiben, aber artig mußt du sein und nicht nach
meinen Haaren picken!«
    Sie kümmerte sich nicht um ihn. Der Hahn verhielt sich still; in
ihr Mieder verkrallt, schien er manchmal, als sähe er ihr
funkeläugig unters Kinn. Das übrige Viehzeug rückte auch näher.
Nach einigem Gewälz war sie endlich mit gelösten Gliedern und
zurückgeworfenem Kopf in wohliger Ohnmacht zurückgesunken. Sie
redete weiter:
    »Ach, zu schön ist das. Gleich schläfert es einen ein. Das Heu
macht müde, nicht? … Sergius hat das nicht gern. Sie
vielleicht auch nicht. Was lieben Sie denn wohl. Erzählen Sie es
mir, ich möchte es gerne wissen.«
    Langsam dämmerte sie ein. Eine kleine Weile staunte sie mit weit
offenen Augen, als sänne sie, was ihr wohl an Vergnügen abginge.
Dann ließ sie die Lider zufallen, ruhig lächelnd wie in tiefster
Befriedigung. Sie schien zu schlafen, nach einigen Minuten öffneten
sich aber ihre Augen neuerlich, und sie bemerkte:
    »Die Kuh wird kalben … das ist auch schön. Das wird mir
noch mehr Spaß machen als alles andere.«
    Und sie sank in tiefen Schlaf. Das Getier hatte sie zu guter
Letzt erklommen. Sie war eingedeckt in lebendige Federflut. Ihren
Schenkeln schmiegte sich der Federflaum der Gänsehälse an. Zur
Linken wärmte sie das Schwein, während rechts die Ziegen den
bezotteten Kopf ihr bis unter die Achsel drängte. Allum hatten sich
Tauben eingenistet, in ihren Handflächen, an der Hüftbiegung, den
abfallenden Schultern. Und ganz rosig lag sie im Schlaf, umstrichen
vom lauten Atmen der Kuh,beschwert vom Gewicht
des großen kauernden Hahnes, der sich tiefer noch als auf die Brust
hingeduckt hatte, mit schlagenden Flügeln und durchblutetem Kamm,
und dessen roter Leib sie durch die Kleider mit liebkosenden
Flammen sengte.
    Der Regen draußen begann nachzulassen. Ein Streifen Sonnenschein
stahl sich aus einer Wolke und vergoldete flüchtig stäubende
Feuchte. Albine, die regungslos gesessen hatte, betrachtete
Desiderata, dies schöne schlafende Mädchen, deren Fleisch befriedet
wurde, wenn sie im Heu sich wälzte. Sie wünschte sich auch solche
Ermattung und wohlige Entkräftung, dies Entschlafen in tiefem
Behagen, um einiger Strohhälmchen willen, die ihr den Nacken
kitzelten. Neidisch war sie auf diese starken Arme, diese feste
Brust, all dies fleischliche Leben in der befruchtenden Wärme einer
Tierherde; dieses ungetrübt tierhafte Aufblühen, das aus dem
vollblütigen Kind die ruhige Schwester der großen weißroten Kuh
werden ließ. Wie mochte es wohl sein, vom falbroten Hahn geliebt zu
werden und selbst zu lieben, natürlich, wie Bäume wachsen, und

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