Die Sünde des Abbé Mouret
ohne
Scham alle Adern Samenstürzen zu erschließen. Die Erde war es, die
Desiderata stillte, wenn sie sich mit dem Rücken ihr schmiegte.
Indessen hatte es ganz aufgehört zu regnen. Die drei Hauskatzen,
hintereinander, schlüpften die Mauer entlang unter endlosen
Vorsichtsmaßregeln, um sich nicht zu beschmutzen. Sie steckten die
Nase in den Stall und begaben sich schnurstracks schnurrend zu der
Schläferin und betteten sich an sie, mit den Pfoten nach etwas
nackter Haut tastend. Murr, der große schwarze Kater, an ihre Wange
geschmiegt, begann leise ihr Kinn zu lecken.
»Und Sergius?« murmelte Albine
mechanisch.
Wo denn war das Hemmnis? Wer hinderte sie denn daran, sich auch
beglückt Genüge zu tun, in aller Selbstverständlichkeit. Warum
liebte sie nicht, warum wurde sie nicht frei wiedergeliebt, in der
hellen Sonne, so wie die Bäume wachsen. Sie konnte es nicht
einsehen und fühlte sich verlassen, unheilbar wund. Und ein
zürnender Eigensinn schwelte in ihr, ein Verlangen, ihr Gut
zurückzugewinnen, es zu verstecken, sich wieder daran zu ergötzen.
Sie erhob sich. Die Türe der Sakristei mußte neuerlich geöffnet
sein; ein leichtes Händeklatschen ließ sich vernehmen, gefolgt vom
Geräusch einer Kinderschar, die mit Holzschuhen über Steinboden
klappert: die Katechismusunterweisung war zu Ende. Leise verließ
sie den Stall, in dem sie seit einer Stunde wartete im warmen Dunst
des Viehhofes; als sie sich den Gang zur Sakristei entlangschlich,
gewahrte sie den Rücken der Teusin, die in ihre Küche ging, ohne
rechts und links zu sehen. Im sicheren Gefühl, nicht entdeckt
worden zu sein, stieß sie die Türe auf, hielt sie mit der Hand
fest, um Lärm zu vermeiden beim Zuschlagen. Sie fand sich in der
Kirche.
Kapitel 8
Zuerst sah sie niemand. Draußen regnete es wiederum, fein und
stetig. Die Kirche erschien ganz grau. Sie ging hinter dem
Hochaltar vorbei und wagte sich zur Kanzel vor. In der Mitte des
Schiffes gab es nur von den Unterweisungskindern verschobene Bänke.
Der Pendel der Uhr durchtickte dumpf die Leere. Sie drang weiter
vor, um an die Holzverkleidung des Beichtstuhles zu klopfen, den sie an der anderen Seite der Kirche
wahrnahm. Als sie jedoch an der Totenkapelle vorbeikam, stieß sie
auf den Abbé Mouret, der zu Füßen des großen blutenden Christus
kniete. Er rührte sich nicht und mochte wohl glauben, die Teusin
stelle die Bänke hinter ihm zurecht. Albine legte die Hand auf
seine Schulter.
»Sergius,« sagte sie, »ich komme, um dich abzuholen.«
Zusammenfahrend hob der Priester den Kopf und erblaßte. Er hielt
sich weiter auf den Knien, bekreuzte sich, auf den Lippen zitterte
das Gebet noch nach.
»Gewartet hab' ich,« fuhr sie fort; »jeden Morgen, jeden Abend
hab' ich ausgeschaut, ob du nicht kämest. Die Tage habe ich
gezählt; dann hörte ich auf, sie zu zählen. Jetzt sind es Wochen.
Als mir klar wurde, du kämest nicht, machte ich mich auf den Weg zu
dir. Ich sagte mir: er wird mich begleiten … Gib mir deine
Hand. Laß uns gehen.«
Und sie hielt ihm die Hände hin, wie um ihm beim Aufstehen
behilflich zu sein. Er bekreuzte sich von neuem und betete weiter,
während er sie ansah. Das erste Erbeben des Fleisches war
überwunden. Aus der Gnade, die seit morgens ihn selig badete, kam
ihm übermenschliche Kraft.
»Hier ist nicht Ihr Platz,« sagte er ernst. »Ziehen Sie sich
zurück, Sie erschweren sich Ihr Leid.«
»Ich leide nicht mehr,« sprach sie lächelnd weiter. »Es geht mir
besser, und geheilt bin ich, wenn ich dich sehe… Hör' mich an,
kranker hab' ich mich gemacht als ich war, damit man dich holen
sollte. Jetzt kann ich es dir ja gestehen. Damit ist es genau wie
mit der Versicherung, fortzugehen, die Gegend zu verlassen; jetzt,
wo ich dich wiederhabe, kannst du doch nicht glauben, daß ich sie
wahrmachen könnte. Ach, eher trüge ich dich fort auf meinen
Schultern … Die anderen wissen's nicht, du
aber mußt doch wissen, daß ich jetzt einzig noch an deiner Brust
leben kann.«
Glück überkam sie wieder, in kindlicher Unschuld suchte sie
seine Nähe, ohne die starre Kälte des Priesters zu beachten. Sie
wurde ungeduldig, klatschte fröhlich in die Hände und rief:
»Entschließe dich doch, Sergius. Himmel, wieviel Zeit wir
verlieren! Wozu denn all das Nachdenken! Ich nehme dich mit. Das
ist doch das Natürlichste von der Welt! Wenn du nicht gesehen
werden willst, gehen wir den Fluß entlang. Der Weg ist unbequem,
aber allein bin ich auch durchgekommen; zu
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