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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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schlank geneigt
den zärtlich wiegenden Gang verlangsamte hinter den Hecken.
Fruchtflaumig überblendete es ihre Wangen, ihre Hüften waren
schwellend gerundet, ihr Busen erblühte wie eine saftreiche Blume.
Fraulich war sie mit länglichem Antlitz, über dem ein heller Glanz
lag von Fruchtbarkeit. Das Leben schlummerte in ihren sich
breitenden Flanken. Bis in die Wangen, an die Oberfläche der Haut
war die lockende Reife ihres Fleisches gestiegen. Dem Priester,
ganz eingewoben in den leidenschaftlichen Duft ihrer reifenden
Weiblichkeit, verursachte es bittere Freude, der Liebkosung dieser
Mundröte, diesen lachenden Augen, der verführerischen Brust zu
widerstehen, aller Lockung, die jeder Bewegung entströmte. Er trieb
die Tollkühnheit so weit, die Stellen mit dem Blick zu suchen, die
er vormals voll Überschwang geküßt hatte, die Augen, die
Mundwinkel, die schmalen atlaszarten Schläfen, den Ambranacken, wie
weicher Sammet. Niemals, selbst nicht in Albines Armen, hatte er
solche Glückseligkeit empfunden wie jetzt, da er sich kasteite,
angesichts dieser Liebesglut, die er zurückwies. Dann fürchtete er,
sich so in neuer Falle der Fleischlichkeit zu verfangen, senkte die
Augen und sagte sanft:
    »Ich kann hier nicht zu Ihnen reden. Wir wollen hinausgehen,
wenn Sie durchaus unser beider Leiden vergrößern wollen …
Unsere Gegenwart an diesem Ort ist ein Ärgernis. Wir sind in Gottes
Haus.«
    »Wer ist das, Gott?« rief Albine außer sich, war
wieder das fessellos wild aufgewachsene
Mädchen. »Ich kenne ihn nicht, deinen Gott, und will ihn nicht
kennen, wenn er dich mir nimmt, die ich ihm nie etwas zuleide tat.
Onkel Jeanbernat hat also recht, wenn er sagt, dein Gott sei eine
böse Erfindung, um die Leute zu schrecken und sie unglücklich zu
machen … Du lügst, du liebst mich nicht mehr, deinen Gott gibt
es nicht!«
    »Sie sind in seinem Haus,« wiederholte der Abbé Mouret mit
Nachdruck. »Er könnte Sie mit einem Hauch in Staub verwandeln.«
    Sie erhob ein helles Gelächter, breitete die Arme und bot dem
Himmel Trotz.
    »So ist dein Gott dir also lieber als ich? Du hältst ihn für
stärker als mich. Du willst dir einreden, mehr als ich liebte er
dich … Kindisch bist du. Laß doch diese Torheiten. Zusammen
werden wir in den Garten zurückfinden und uns lieben, glücklich und
frei sein. Das ist Leben.«
    Diesmal war es ihr gelungen, ihn zu umschlingen. Sie zog ihn
fort. Er machte sich aber los, in ihrer Berührung erbebend, lehnte
sich wieder an den Altar, vergaß sich und redete wie ehemals sie
wieder mit du an.
    »Geh,« stammelte er, »geh, wenn du mich noch etwas liebst …
O Herr, vergib ihr, vergib mir die Besudelung deines Hauses. Ginge
ich ihr nach über die Schwelle, folgte ich ihr vielleicht. Hier in
deinem Haus bin ich stärker. Gestatte mir zu bleiben und dich zu
verteidigen.«
    Albine schwieg eine kurze Weile, dann sagte sie mit ruhigerer
Stimme:
    »Gut, bleiben wir … Ich will mit dir reden. Du kannst doch
nicht schlecht sein. Du wirst mich verstehen. Du wirst mich nicht allein ziehen lassen … Nein,
wehre dich nicht, ich rühre dich nicht mehr an, da dir das weh zu
tun scheint. Du siehst, ich bin ganz ruhig. Wir werden leise
zusammen sprechen wie damals, als wir unsern Weg verloren und ihn
nicht suchten, um länger miteinander reden zu können.«
    Sie lächelte und fuhr fort:
    »Ich weiß nur, Onkel Jeanbernat verbot mir, in die Kirche zu
gehen. Er sagte: ›Dumme Person, was hast du denn in dem stickigen
Gemäuer zu schaffen, wenn du doch einen Garten hast?‹ …
Zufrieden bin ich aufgewachsen. Ich habe die Nester betrachtet,
ohne die Eier anzutasten. Nicht einmal die Blumen habe ich
abgepflückt, aus Angst, ihnen wehe zu tun. Du weißt, daß ich nie
ein Insekt fing, um es zu quälen … Warum also sollte Gott mir
zürnen?«
    »Wir müssen ihn kennen, zu ihm beten, ihm allstündlich die
Verehrung erweisen, die ihm gebührt,« erwiderte der Priester.
    »Würdest du dann mit mir zufrieden sein?« fragte sie. »Würdest
du mir verzeihen und mich wieder liebhaben? Wohl, ich will alles,
was du willst. Erzähle mir von Gott, ich werde an ihn glauben und
ihn anbeten. Jedes deiner Worte wird für mich eine Wahrheit sein,
die ich auf den Knien anhören will. Habe ich denn jemals andere
Gedanken gedacht als die deinen? … Wir werden unsere weiten
Gänge wieder aufnehmen, du wirst mich unterrichten, du wirst aus
mir machen, was du willst. Oh, ich bitte dich, sag ja!«
    Der Abbé

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