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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Sünde immer wieder, sie erschien
mit erschreckender Klarheit. Er sah wieder die kleinsten Grashalme
an den Kleidersäumen Albines, fühlte aufs neue die kleine Distel,
die sich in ihrem Haar verfangen hatte und ihm die Lippen zerstach.
Alles kam wieder, vom herbsüßen Geruch zerdrückter Stengel bis zu
dem fernsten undeutlichsten Geräusch, dem eintönigen Ruf eines
Vogels, tiefem Schweigen und Seufzen in den Bäumen. Warum traf ihn
nicht gleich der Blitz des Himmels? Weniger hätte er dann leiden
müssen. Er freute sich seiner Abscheulichkeit mit der Wollust eines
Verdammten. Wut schüttelte ihn, vernahm er die verbrecherischen
Worte, die er zu Füßen Albines ausgesprochen hatte. Sie hallten
wider in dieser Stunde, um ihn anzuklagen vor Gott. Er hatte das
Weib zu seinem Herrscher erkoren. Zum Sklaven des Weibes hatte er
sich erniedrigt, hatte ihm die Füße geküßt und sich gewünscht, sein
Trank, seine Speise zu sein. Er verstand jetzt, warum er sich nicht
wieder in die Gewalt bekam. Gott überließ ihn dem Weibe. Aber er
würde zuschlagen, ihm die Glieder zerbrechen, auf daß es ihn fahren
ließe. Das Weib war hörig, unreines Fleisch, dem die Kirche die
Seele hätte absprechen müssen. So verhärtete er sich und erhob die
Fäuste gegen Albine. Aber die Fäuste
öffneten sich, und die Hände glitten an nackten Schultern entlang
in weichem Liebkosen, während der fluchende Mund sich in den
entfesselten Haaren verirrte unter Liebesgestammel.
    Der Abbé Mouret öffnete die Augen. Die gleißende Erscheinung
Albines schwand. Unerhoffte, plötzliche Erleichterung. Er konnte
weinen. Langsam rollten ihm Tränen über die Wangen, während er tief
Atem holte, sich aber noch nicht zu bewegen wagte aus Angst, die
Faust wieder im Nacken zu spüren. Immer noch vernahm er ein
grimmiges Raunen hinter sich. Wie gut war es, nicht mehr so schwer
zu leiden; er überließ sich dem Genuß dieses wohligen Zustandes.
Draußen hatte es aufgehört zu regnen. Im rosigen Schein ging die
Sonne unter, die Fenster waren wie mit rosa Seide verhängt. Die
Kirche war jetzt lau durchwärmt, lebendig von scheidender Sonne
durchatmet. Etwas unbestimmt dankte der Priester Gott für den ihm
gnädig geschenkten Aufschub. Ein breiter Strahl, ein goldenes
Stäuben durchschimmerte das Schiff, überleuchtete die Tiefe der
Kirche, die Uhr, Kanzel, den Hauptaltar. Vielleicht stieg die Gnade
aus den Himmeln auf diesem lichten Weg zurück zu ihm? Er
betrachtete gespannt die in den Strahlen mit unerhörter
Geschwindigkeit auf und nieder tanzenden Atome, die wie eine Schar
geschäftiger Boten sich ausnahmen, die unablässig der Sonne
Nachrichten zutrugen von der Erde. Tausend brennende Kerzen hätten
die Kirche nicht mit solchem Glanz zu erfüllen vermocht. Hinterm
Hochaltar spannten sich goldene Tücher; Geriesel von Goldschmuck
überspülte die Altäre, Leuchter erblühten zu Strahlengarben,
Weihrauchbecken schwelten Edelsteinglut, Weihgefäße
erwuchsen mehr und mehr zu kometischem
Scheinen; und allüberall ein Regen von Lichtblüten inmitten
schwirrender Spitzen, von Brokaten, Blumensträußen, Gewinden aus
Rosen, derem Herzen sich aufblätterten und Sterne entsinken ließen.
Nie hätte er solchen Reichtum seiner armen Kirche erträumt. Er
lächelte und wünschte sich, diesen Prunk festhalten zu können und
ihn nach seinem Willen zu ordnen. Er hätte die Gehänge aus
Goldstoff höher angebracht; auch die Gefäße waren ihm zu nachlässig
verteilt; er sammelte die verstreuten Blüten, wand neue Sträuße und
zog neue Bogen. Welche Pracht aber, als sich dergestalt pomphaft
alles darstellte! Er wurde der Hohepriester einer neuen Kirche.
Bischöfe, Fürsten, Frauen in schleppenden Königsmänteln, fromme
Scharen strömten ihm zu und beugten die Stirnen in den Staub,
lagerten im Tal und warteten wochenlang, bevor sie Eintritt fanden.
Man küßte ihm die Füße, weil auch sie von Gold und wundertätig
waren. Das Gold stieg ihm bis zu den Knien. Ein goldenes Herz
schlug ihm in der goldenen Brust mit so melodisch klarem Tönen, daß
die Menge außerhalb es vernehmen konnte. Da verzückte ihn
unendlicher Stolz: er wurde zum Idol.
    Der Sonnenstrahl stieg immer höher, der Hochaltar flammte auf
und der Priester wollte sich einreden, es müsse die Gnade sein, die
ihm wiederkehrte, daß er so tiefinnerliches Freuen spürte. Das böse
Raunen hinter ihm wurde schmeichlerisch. Er fühlte über seinem
Nacken nur noch weiche Sammetpfoten, wie liebkosendes

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