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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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in ihm tönen. Gut war es wenigstens, daß Kampf nicht
mehr vonnöten war. Die ihn vormals hinterrücks umschleichenden
Ungeheuer ergingen sich jetzt in seinem Innern. Er blies sich auf,
um ihr Wühlen deutlicher zu empfinden. Mit schrecklicher Freude
überließ er sich ihnen. In Auflehnung schüttelte er die Faust gegen
die Kirche. Nein, er glaubte nicht mehr an die Göttlichkeit Jesu,
glaubte nicht mehr an die heilige Dreifaltigkeit; er glaubte nur an
sich, an seine Muskeln, die Gelüste seiner Organe. Leben wollte er.
Er wollte Mann sein. Ach, in frischer Luft zu laufen, stark zu sein
und keinen eifersüchtigen Herrn über sich zu wissen, seine Feinde
mit Steinwürfen zu töten, und die Mädchen, die vorüberkommen, in
seinen Armen fortzutragen! Er würde auferstehen aus dem Grab, in
das rauhe Hände ihn verstießen. Seine Mannheit müßte erwachen, die nun schlief. Und schändlicher Tod
ihm, wenn sein Mannestum versiecht war. Und Gott sollte verflucht
sein, wollte er ihn erlesen aus aller Kreatur und mit seinem Finger
berühren, um ihn allein seinem Dienst zu weihen.
    Der Priester stand aufgereckt, seine Sinne verwirrten sich. Er
vermeinte, die Kirche stürze ein bei dieser neuen Lästerung. Der
den Hochaltar überflutende Sonnenstreifen hatte langsam sich
ausgebreitet und fachte die Mauern zu Feuersröte. Flammenzungen
lohten noch höher, überleckten die Decke und schwanden in blutigem
Aufleuchten. In der Kirche wurde es plötzlich vollkommen dunkel. Es
war, als habe der feurige Untergang dieses Gestirns das Dach
durchbrochen, die Mauern gespalten und den Angriffen des Außen
gähnende Breschen ringsum aufgetan. Der düstere Rumpf schwankte in
der Erwartung irgendeines furchtbaren Ansturms. Die Nacht sank
schnell.
    Da vernahm der Priester von weither ein Gemurmel aus der Tiefe
des Artaud. Ehmals verstand er die glühende Sprache dieses
feuerverzehrten Erdstriches nicht, auf dem nichts gedieh als knotig
gewundene Weinstöcke, magere Mandelbäume und schwächlich verbogene
Oliven. Er schritt mitten durch dies leidenschaftliche Gelände in
unbekümmerter Ahnungslosigkeit. Heute aber, wissend geworden im
Fleisch, erfaßte er verstehend das leiseste Seufzen sonnengelähmter
Blätter. Zuerst erzitterten in der Weite die vom Sonnenabschied
noch heißen Hügel und schienen sich in Bewegung zu setzen mit dem
dumpfen Rollen vorrückender Armee. Dann erhoben sich die Felsen,
die Wegkiesel und alle Steine im Tal und rollten knirschend
vorwärts, als ob Verlangen nach Bewegung sie vorwärts schleuderte. Darauf begannen die roten
Erdlachen, die spärlich hackenbezwungenen Felder ihnen
nachzutreiben, zu rollen, wie entfesselte Ströme, die in ihrem
Blutfluß Samen mit sich rissen, Wurzeltriebe und pflanzliche
Verschmelzung. Und bald war alles in Bewegung; die Rebenstümpfe
krochen daher wie große Insekten; das magere Korn, das dürre Gras
bildete sich zu lanzenbewährten Bataillonen; im Lauf verwirrten
sich die Bäume, sie streckten ihre Glieder wie Ringer, die sich zum
Kampf bereiten; abgefallene Blätter wanderten, der Staub der Straße
wanderte. Massen, die bei jedem vordrängenden Schritt Kraftzuwachs
erwarben, Sturmvolk, dessen Atem näher brunstete, essenheißes
Lebenswehen, alles überwallend in Wirbeln riesenhafter Niederkunft.
Plötzlich geschah der Angriff. Vom Horizont an warf sich das ganze
Gelände auf die Kirche, Hügel, Felsen, Feld und Bäume. Die Kirche
erbebte krachend bei erstmaligem Vorstoß. Mauern barsten und
Dachgeschiefer fiel.
    Es gab einen kurzen Stillstand. Von draußen lärmten Stimmen in
steigender Wut. Der Priester konnte jetzt menschliche Stimmen aus
dem Schwall heraushören. Das Dorf war es, die Leute vom Artaud,
jene felserwachsene Handvoll dornenharter Bastarde, atmeten nun
heran in lebendurchwimmeltem Wehen. Erdwärts hurten sie und
pflanzten von Spanne zu Spanne ein Menschendickicht, dessen Stämme
ringsum allen Raum aufschlangen. Bis zur Kirche klommen sie empor,
stießen die Türe ein und drohten das Schiff zu versperren mit
Wucherästen ihrer Rasse. Ihnen nach im wirren Gestrüpp stürzten die
Tiere, Ochsen suchten mit den Hörnern die Mauern einzustoßen, eine
Horde von Eseln, Ziegen, Schafen zertrat die Kirche, und wie lebendige Woge fluteten Ameisen, Kellerasseln
und Grillen, stürzten sich auf die Grundmauern und zersägten sie.
Und von der anderen Seite kam noch Desideratas Wirtschaftshof,
dessen Misthaufen betäubende Düfte entsandte; der große Hahn
Alexander trompetete von

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