Die Sünde des Abbé Mouret
Streicheln
einer Riesenkatze.
Und er träumte weiter. Noch nie war ihm alles so klar
erschienen. Alles kam ihm ganz einfach vor, weil er sich so stark
dünkte. Da Albine ihn erwartete, würde er zu ihr gehen. Das war selbstverständlich. Hatte er doch
morgens den langen Fortunat und die Rosalie zusammengegeben. Die
Kirche verbot die Ehe nicht. Er sah sie noch vor sich, wie sie
unter seinen segnenden Händen lächelten und sich mit den Ellbogen
stießen. Am Abend hatte man ihm ihr Bett gezeigt. Jedes der Worte,
die er zu ihnen gesprochen hatte, tönte ihm laut in den Ohren. Dem
langen Fortunat hatte er gesagt, Gott sende ihm eine Gefährtin,
weil er nicht wolle, daß der Mensch allein sei. Der Rosalie sagte
er, sie müsse ihrem Gatten anhangen und ihn nie verlassen und seine
gehorsame Dienerin sein. Aber er sprach diese Worte auch für sich
und Albine. War sie nicht seine Gefährtin, seine gehorsame
Dienerin, die Gott ihm sandte, daß seine Mannheit in der Einsamkeit
nicht verdorrte? Überdies waren sie ja verbunden. Es setzte ihn
sehr in Erstaunen, daß er das nicht gleich verstanden hatte, daß er
nicht gleich mit ihr gezogen war, wie die Pflicht es erheischte.
Jetzt aber war es beschlossene Sache, schon morgen würde er sie
aufsuchen. In einer halben Stunde könnte er bei ihr sein. Er
durchschritte das Dorf und schlüge den Feldweg ein; bei weitem der
kürzeste war es; er vermochte alles, war der Herr, und niemand
hatte ihm hereinzureden. Betrachtete man ihn, würde er mit einer
Bewegung die Nacken sich beugen lassen. Dann lebte er mit Albine
und nannte sie seine Frau. Sie würden sehr glücklich sein. Das Gold
stieg wiederum höher, schimmerte ihm in den Händen. Er war ganz
gebadet in Gold. Er nahm die Weihgefäße mit sich fort für seine
Lebensbedürfnisse, er führte ein großartiges Leben und bezahlte
seine Leute mit den ausgebrochenen Stücken aus den Kelchen; ein
leiser Fingerdruck genügte, um sie abzubrechen. Sein Brautbett umgab er mit den goldseidenen
Vorhängen des Altars. Er schenkte seiner Frau als Schmuck die
Goldherzen, Goldketten, Goldkreuze, die den Hals der Heiligen und
der Jungfrau zierten. Die Kirche selbst, um ein Stockwerk erhöht,
konnte ihnen zum Palast dienen. Gott würde nichts dagegen haben; er
gestattete ja zu lieben. Außerdem konnte Gott ihm ganz gleichgültig
sein! War er nicht göttlich in dieser Stunde, mit seinen goldenen,
von der Menge geküßten, wundertätigen Füßen.
Der Abbé Mouret stand auf. Er beschrieb jene weite Bewegung, wie
Jeanbernat, jene verneinende Bewegung, die die Horizonte
einbezog.
»Nichts ist da, nichts, gar nichts,« sagte er, »es gibt keinen
Gott!«
Wie ein Schauer durchlief es die Kirche. Todesblässe überkam
neuerlich den entsetzten Priester; er lauschte.
Wer hatte gesprochen? Wer gelästert?
Das Sammetstreicheln, das er sanft über dem Nacken empfunden
hatte, war plötzlich bösartig ausgeartet; Krallen fetzten das
Fleisch, Blut strömte. Doch blieb er stehen und kämpfte gegen den
Angriff. Er stieß Beschimpfungen aus gegen die siegreiche Sünde,
die seine Schläfen umkicherte, in denen alle bösen Hämmer neu zu
schlagen begannen. Waren diese Verrätereien ihm denn nicht bekannt?
Wußte er denn nicht, daß sie es liebt, spielend auf ihren Pfoten
anzuschleichen, um sie dann gleich Messern dem Opfer bis auf die
Knochen einzutreiben? Und seine Wut verdoppelte sich bei dem
Gedanken, wie ein Kind in die Falle gegangen zu sein. Würde er sich
denn nie aufraffen können, würde immer die Sünde siegreich auf
seiner Brust kauern? Jetzt war er so weit gekommen, Gott
zu verleugnen. Das war der tödliche
folgerichtige Absturz. Die Unzucht tötete den Glauben. Dann
zerbröckelte das Dogma. Ein Zweifel des Fleisches, das sein Unwesen
verteidigt, genügte, um den ganzen Himmel leer zu fegen. Das
göttliche Gesetz wurde zum Ärgernis, die Geheimnisse erschienen
lächerlich; man streckte sich zur Ruhe in einem Winkel der
verstümmelten Religion und handelte seine Gotteslästerung ab, bis
man sich eine Höhle ausgescharrt hatte, wie ein Vieh, das seinen
Kot bebrütet. Dann folgten die anderen Versuchungen: Gold, Macht,
freies Leben, ein unwiderstehlicher Drang zu genießen, der alles
der großen Unzucht zutrieb, die auf einem Lager von Reichtum und
Stolz gebettet ist. Und man bestahl Gott. Man zerbrach die
Kultgefäße, um sie weiblicher Unlauterkeit anzuhängen. Wohl! Er war
verworfen. Vor nichts scheute er mehr zurück, mochte die Stimme der
Sünde laut
Weitere Kostenlose Bücher