Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
konnte sich Albine
wieder einen, da sie triumphierte. Und wie er sich verlachte, der
eine Stunde zuvor behauptet hatte, die Kirche schlänge die Erde in
ihren Schatten! Die Erde rächte sich und verschlang die Kirche. Das
irre Gelächter, das er ausstieß, ließ ihn aus seinen
Wahnvorstellungen auffahren. Blöde starrte er in das langsam in
Dämmerung versinkende Schiff. Sternbesäter
Himmel sah durch Fenster herein. Er streckte die Arme aus und
wollte die Mauern betasten, da erklang Desideratas rufende Stimme
im Gang zur Sakristei:
    »Sergius! Bist du da? Gib doch Antwort, seit einer guten halben
Stunde suche ich dich.« Sie trat ein mit einer Lampe. Da sah der
Priester, daß die Kirche immer noch aufrecht stand. Er begriff
nicht mehr, schreckliche Zweifel scheuchten ihn, er wußte nicht,
wer den Sieg davongetragen habe: die unbezwingbare Kirche, die aus
der Asche erstand, oder Albine, die Gottes Allmacht erschütterte
mit einem einzigen Anhauch.

Kapitel 10
     
    Unter schallendem Gelächter kam Desiderata näher.
    »Da bist du ja! Da bist du ja!« rief sie. »Du spielst wohl
Verstecken? Mehr als zehnmal habe ich, so laut ich konnte, deinen
Namen gerufen … Ich dachte, du seist nicht mehr da.«
    Forschend und neugierig sah sie in alle Ecken. Sie ging sogar
auf den Zehenspitzen bis zum Beichtstuhl, als beabsichtige sie,
jemanden zu überraschen, der sich dort versteckte. Dann machte sie
enttäuscht kehrt und sagte:
    »Du bist also allein? Hast du denn geschlafen? Mit was
belustigst du dich wohl so ganz allein im Dunkeln? Komm doch
schnell, wir wollen uns zu Tisch setzen.«
    Er strich sich mit den fieberheißen Händen über die Stirne, um
die Gedanken fortzuwischen, die dort sicherlich aller Welt lesbar
standen. Er versuchte mechanisch die Sutane wieder zuzuknöpfen, es
kam ihm vor, als müsse sie aufgerissen und
beschädigt sein, in schamloser Unordnung.
    Dann folgte er seiner Schwester mit strengem Antlitz und ohne
Erbeben, erstarrt im Priesterwillen, Kämpfe seines Fleisches unter
der Würde seines Amtes zu verbergen. Desiderata bemerkte nicht das
Geringste von seiner Erregung. Sie sagte nur beim Eintritt ins
Eßzimmer:
    »Ich hab' gut geschlafen; aber du hast zuviel geredet, du bist
ganz blaß.«
    Abends nach dem Essen kam Bruder Archangias, um sein Spielchen
mit der Teusin zu machen. Er war an diesem Abend von
ausgelassenster Lustigkeit. War der Bruder vergnügt, versetzte er
der Teusin Fauststöße in die Rippen, und sie erwiderte diese mit
schwungvollen Ohrfeigen. Sie gerieten dann so ins Lachen, daß die
Wände zitterten. Die sonderbarsten Scherze erfand er dann, zerbrach
mit der Nase flach aufgestellte Teller, wettete, er könne die Tür
des Eßzimmers mit dem Hintern einstoßen, schmiß den ganzen
Schnupftabak seiner Dose der alten Magd in den Kaffee oder stopfte
ihr mitgebrachte Kiesel in den Kragenausschnitt, bis in die
tiefsten Tiefen hinunter. Dieser Überschwang draller
Vergnüglichkeit brach bei ihm ohne ersichtlichen Grund aus, mitten
im gewohnheitsmäßigen Zürnen; öfter brachte irgendein Vorkommnis,
das niemand sonst lustig gefunden hätte, wahrhafte Tobsuchtsanfälle
lärmender Heiterkeit bei ihm hervor, er trampelte mit den Füßen,
drehte sich um sich selber wie ein Kreisel und hielt sich den
Bauch.
    »Sie wollen mir also nicht sagen, warum sie vergnügt sind?«
fragte die Teusin.
    Er antwortete nicht, rittlings hatte er sich
auf einen Stuhl gesetzt und trabte auf diese Art um den Tisch.
    »Ja, ja, spielen Sie nur den Dummen,« begann sie wieder.
»Himmel, wie einfältig Sie sich anstellen. Wenn der liebe Gott Sie
so sehen kann, wird er seine Freude an Ihnen haben.«
    Der Bruder hatte sich hintenüber fallen lassen, lag mit dem
Rücken auf dem Boden und streckte die Beine in die Luft. Ohne
aufzustehen, sagte er ernsthaft:
    »Er sieht mich, er freut sich an mir. Er ist es, der mir
befiehlt, lustig zu sein, bewilligt er mir eine Erholungsstunde,
läutet er in meinem Gebein. Dann wälze ich mich und das ganze
Paradies muß lachen.«
    Er bewegte sich auf dem Rücken bis zur Mauer. Dann, sich im
Nacken stützend, schlug er so hoch wie möglich auf der Mauer einen
Wirbel mit den Absätzen. Die zurückfallende Sutane enthüllte sein
schwarzes Beinkleid, das an den Knien mit Flecken aus grünem Tuch
ausgebessert war. Er begann wieder:
    »Herr Pfarrer, sehen Sie doch, wie hoch ich hinauf komme. Ich
wette, Sie können das nicht. Los, lachen Sie ein bißchen. Es ist
besser, sich auf dem Rücken zu

Weitere Kostenlose Bücher