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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zweifellos dort starb, denn niemand hatte sie jemals wieder
gesehen. Im folgenden Jahre brannte das Schloß nieder, die Parktore
wurden vernagelt, selbst die Mauerlücken wurden mit Lehm
ausgefüllt; so kam es, daß seit jener fernen Zeit kein Auge das
große Gebiet mehr erforschte, das hinter der Umfassungsmauer lag,
und eine der Heidehochebenen vollständig bedeckte.
    »An Brennesseln dürfte kein Mangel sein,« sagte lachend der Abbé Mouret. »Es riecht feucht die ganze
Mauer entlang, finden Sie nicht, Onkel?«
    Dann nach einem Schweigen fragte er: »Und wem gehört jetzt das
Paradeis?«
    »Wahrhaftig, niemand weiß es,« antwortete der Arzt. »Der
Besitzer ist vor einigen zwanzig Jahren einmal hergekommen. Er ist
aber so entsetzt gewesen über dies Natternnest, daß er sich nicht
wieder blicken ließ … Der eigentliche Herr ist der Verwalter
der Besitzung, der sonderbare alte Jeanbernat; Mittel und Wege fand
er, sich in einem Pavillon, dessen Steine noch zusammenhalten,
einzunisten… Da, siehst du, dort, in jenem grauen Gemäuer mit den
großen efeuverhangenen Fenstern.«
    Der Wagen fuhr an einem großartig anmutenden, rostblutigen
Gartentor vorbei, das von innen mit Latten vernagelt war. Die
Wolfsgräben schimmerten schwarz von Brombeeren. Das von Jeanbernat
bewohnte Gebäude stand hundert Meter weiter in den Park eingebaut;
die eine Fassade überblickte ihn. Aber es sah aus, als hätte der
Wächter seine Behausung auf dieser Seite verrammelt; neben der
Straße auf der Südseite, hatte er einen schmalen Garten angelegt;
hier lebte er und drehte dem Paradeis den Rücken, als wüßte er gar
nichts vom Übermaß grünender Fülle hinter sich.
    Der junge Priester sprang zur Erde, sah sich neugierig um und
fragte den Arzt aus, der sich beeilte, das Pferd an einem in die
Mauer geschmiedeten Ring anzubinden.
    »Und der Greis lebt allein hier in dieser Einöde?«
    »Ja, vollkommen allein,« antwortete Onkel Pascal. Aber er
verbesserte sich.
    »Eine Nichte ist bei ihm, die ihm irgendwie ins
Haus, geschneit ist; ein merkwürdiges
Mädchen, vollkommen wild … Schnell. Das Haus sieht
ausgestorben aus.«

Kapitel 8
     
    Das Haus schlief in der Mittagssonne mit geschlossenen Läden,
Hummeln umsurrten es bis unters Dach im Efeugerank. Die besonnte
Ruine lag gebadet in friedlicher Glückseligkeit. Der Arzt stieß die
Türe des schmalen Gärtchens auf, das eine sehr hohe grünende Hecke
umzog. Dort im Schatten eines Mauerpfeilers, gegen den er seinen
langen Körper lehnte, rauchte Jeanbernat ruhig seine Pfeife und sah
dem Wachsen seiner Gemüse zu inmitten der großen Stille.
    »Wie! Auf den Beinen sind Sie Spaßvogel,« rief der verblüffte
Arzt.
    »Sie wollten mich wohl schon begraben,« zürnte der Alte. »Ich
gebrauche niemand. Ich habe mir zur Ader gelassen … «
    Als er den Priester gewahrte, blieb er wie angewurzelt stehen,
in so zorniger Bewegung, daß es Onkel Pascal ratsam schien
einzuschreiten.
    »Dies ist mein Neffe,« sagte er, »der neue Pfarrer im Artaud;
ein braver Junge … den Teufel auch! Wir haben uns nicht in
solcher Hitze auf den Straßen herumgetrieben, um Sie zu fressen,
Vater Jeanbernat.«
    Der Alte beruhigte sich etwas.
    »Ich dulde keinen Pfaffen bei mir,« murrte er. »So was genügt,
um die Leute zum Verrecken zu bringen. Hören Sie wohl, Doktor,
keine Arzneien und keine Priester, wenn ich mal dran glauben muß;
sonst werden wir Krach bekommen … er mag
trotzdem eintreten, der dort, weil er Ihr Neffe ist.«
    Der bestürzte Abbé Mouret wußte nicht, was er sagen sollte. Er
blieb stehen mitten in einer Allee und besah sich die seltsame
Gestalt dieses verrunzelten Einsiedlers mit ziegelrotem Gesicht und
vertrockneten, wie gewundenen, knorrigen Gliedmaßen, der seine
achtzig Jahre zu tragen schien, mit spöttischer Lebensverachtung.
Als der Arzt versuchte, ihm den Puls zu fühlen, wurde er neuerdings
ärgerlich.
    »Lassen Sie mich doch in Frieden! Ich sage Ihnen ja, daß ich mir
zur Ader gelassen habe mit meinem Messer! Jetzt ist alles in
Ordnung … Welcher Bauernblödel hat Sie denn bemüht? Der Arzt,
der Priester, warum nicht die Leichenbitter? Was will man machen
gegen die Torheit der Leute. Doch das soll uns nicht hindern, einen
Schluck zu trinken.«
    Er setzte eine Flasche und drei Gläser auf einen alten Tisch,
den er in den Schatten zog, füllte dann die Gläser bis zum Rand und
wollte anstoßen. Sein Zorn löste sich in spöttische Heiterkeit.
    »Das ist kein Gift, Herr Pfarrer,«

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