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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ausblick
gründlich versperrt, das ist schon mehr als genug, um zufrieden zu
sein. Nichts möchte ich haben, gar nichts, etwas so Schmales, daß
von außerhalb nichts Störendes an mich heran kann. Zwei Meter
Grund, wenn Sie wollen, um sich auf den Rücken zu legen und zu
verrecken.«
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch, erhob plötzlich die
Stimme und brüllte den Abbé Mouret an:
    »Immer drauflos, Herr Pfarrer. Der Satan ist nicht auf dem
Flaschenboden, sag' ich Ihnen.«
    Dem Priester war ungemütlich zumut. Er fühlte sich unfähig,
diesen wunderlichen Greis Gott zuzuführen. Jetzt erinnerte er sich
an allerhand Klatsch, den die Teuse über den Philosophen auskramte;
so nannten die Bauern vom Artaud
Jeanbernat. Bruchstücke anstößiger Geschichten tauchten ungewiß in
seiner Erinnerung auf. Er erhob sich und machte dem Arzt ein
Zeichen, in der Absicht, dies Haus zu verlassen, in dem der Atem
der Verdammnis ihn anhauchte. Aber unter seine dumpfe Beklommenheit
mischte sich eine eigentümliche Neugier und ließ ihn zaudern. Er
blieb und schritt bis zum Ende des kleinen Gartens und betrachtete
die Vorhalle, als ob er durch die Mauern sehen wollte. Durch die
weitgeöffnete Tür wurde er nur des düsteren Treppenhauses
ansichtig. So schritt er zurück, nach irgendeiner Öffnung Ausschau
haltend, irgendeiner Öffnung hinaus in die Blättermassen, deren
Nähe er spürte am Wehen und Rauschen, das wie Wellengetön an das
Haus brandete.
    »Wie geht es der Kleinen?« fragte der Arzt und griff nach seinem
Hut.
    »Nicht übel,« antwortete Jeanbernat. »Sie ist nie da. Ganze
Morgen lang verschwindet sie. Möglich ist es immerhin, daß sie sich
in den oberen Stockwerken herumtreibt.«
    Er hob den Kopf und rief:
    »Albine! Albine!«
    Dann achselzuckend:
    »Das muß wahr sein, sie ist eine richtige Landstreicherin. Auf
Wiedersehen, Herr Pfarrer. Jederzeit stehe ich Ihnen zur
Verfügung.«
    Dem Abbé Mouret wurde nicht Zeit gelassen, die Herausforderung
des Philosophen anzunehmen. Im Hintergrund des Hausflures ging mit
Plötzlichkeit eine Türe auf; eine leuchtende Bresche war in die
Mauerschwärze gelegt. Wie eine Urwaldvision war es, ein
Andringen unergründlichen Hochwaldes,
verklärt in der Sonne. In diesem kurzen Aufglänzen erfaßte der
Priester deutliche Einzelheiten des fernen Bildes: eine große gelbe
Blume inmitten einer Rasenfläche, einen breiten Wasserfall, der von
hohem Gestein niederstürzte, einen riesenhaften, vogeldurchflogenen
Baum; das Ganze flammend überflossen, verhangen von einer tollen
Wirrnis von Grün, einem wilden pflanzlichen Überschwang; die ganze
Weite entfaltete sich blühend. Die Türe fiel ins Schloß, alles
verschwand.
    »Die Spitzbübin!« rief Jeanbernat. »Schon wieder war sie im
Paradeis!«
    Albine stand lachend auf der Schwelle des Hausflurs. Sie trug
einen orangefarbenen Rock und ein auf dem Rücken verschlungenes
rotes Schultertuch; dies gab ihr das Ansehen einer sonntäglich
geputzten Zigeunerin. Sie lachte fort mit zurückgebogenem Kopf; ihr
Hals weitete sich im leisen Getön, froh ihrer Blumen, der wilden
Blumen, die sie ihren blonden Haaren eingeflochten hatte, die ihren
Hals, das Mieder und die bloßen goldbraun schlanken Arme
umwanden.
    Wie ein großer stark duftender Strauß war sie.
    »Geh mir, du siehst nett aus!« schimpfte der Alte. »Du
verpestest die Luft mit deinem Gemüse … Würde man denken, daß
sie schon sechzehn Jahre ist!«
    Die kecke Albine lachte nur ärger. Der Doktor Pascal, dem sie
sehr zugetan war, ließ sich von ihr küssen.
    »Du also hast keine Angst vor dem Paradeis?« fragte er sie.
    »Angst? Vor was denn?« fragte sie verwunderten Blicks. »Die
Mauern sind zu hoch. Niemand kommt herein …
Nur ich bin da. Mein Garten ist es, mir gehört er ganz allein. Groß
ist er schon; ans Ende bin ich nie gekommen.«
    »Und das Getier?« unterbrach sie der Arzt.
    »Die Tiere? Die sind nicht böse; sie kennen mich alle.«
    »Ist es aber nicht dunkel unter den Bäumen?«
    »Schatten gibt es wahrhaftig genug, sonst würde die Sonne mir
das Gesicht verbrennen. Angenehm ist es im Schatten unter den
Bäumen.«
    Und sie machte eine Wendung und erfüllte den schmalen Garten mit
dem Flug ihrer Röcke, dem herben Duft des Laubes, das sie an sich
trug. Sie hatte dem Abbé Mouret zugelächelt ohne jegliche Scheu,
ohne sich im geringsten an die verwunderten Blicke zu kehren, mit
denen er sie betrachtete.
    Der Priester war zur Seite getreten. Dies blonde Kind mit

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