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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und so
zornessteif, daß sie kaum mehr hinkte.
    »Ich habe so viel zu tun gehabt!« begann der Priester, den
dieser stumme Empfang entsetzte. »Seit heute morgen bin ich
unterwegs.«
    Sie schnitt ihm das Wort ab durch einen so starren Blick, daß
ihm die Knie zitterten. Er fing an zu essen; sie bediente ihn mit
dem knackenden Gehabe eines Automaten; fast zerbrachen die Teller,
mit solcher Wucht setzte sie sie nieder. Das Schweigen wurde so
unerträglich, daß ihm schon beim dritten Bissen vor Aufregung die
Kehle wie zugeschnürt war.
    »Meine Schwester hat doch gegessen?« fragte er. »Das ist recht.
Es soll immer mit dem Essen begonnen werden, wenn ich auswärts
aufgehalten werde.«
    Keine Antwort. Die Teusin wartete stehend das Leerwerden seines
Tellers ab und trug ihn fort. Er fühlte, wie unmöglich es ihm sei,
unter diesen Vernichtungsblicken etwas zu sich zu nehmen und schob
sein Gedeck zurück. Diese Zornbewegung war
wie ein Peitschenschlag, der die Teusin aus ihrer eigensinnigen
Frostigkeit schreckte.
    Sie flog auf.
    »So etwas,« schrie sie, »Sie wollen auch noch böse sein. Gut!
Dann kann ich ja gehen! Sie werden mir die Rückreise in meine
Heimat bezahlen. Ich habe das Artaud satt und Ihre Kirche! Und
alles! und alles!«
    Mit zitternden Händen löste sie ihre Schürzenbänder.
    »Haben Sie nicht gemerkt, kein Wort wollte ich sagen… Ist denn
das ein Leben so ? Nur Seiltänzer treiben sich derartig herum,
Herr Pfarrer! Ist es vielleicht elf Uhr? Schämen Sie sich nicht,
etwas nach zwei Uhr noch bei Tisch zu sitzen? Ein guter Christ tut
das nicht, ein guter Christ nicht!«
    Sie pflanzte sich vor ihn hin.
    »Wo sind Sie eigentlich gewesen? Wen haben Sie gesprochen? Was
hat Sie so aufhalten können? … Wenn Sie ein Kind wären,
bekämen Sie die Rute. Ein Priester gehört nicht auf die Straße in
der größten Sonnenhitze, wie die Bettelleute, die keine Unterkunft
haben… In einer hübschen Verfassung sind Sie, Schuhe und Sutane
weiß von Staub! Wer wird sie ihnen bürsten, Ihre Sutane? Wer
besorgt Ihnen eine andere? … Wüßte man nicht, wer Sie sind,
käme man auf komische Gedanken. Und wenn Sie's wissen wollen? Für
nichts stehe ich mehr ein. Wenn man zu so verrückten Stunden seine
Mahlzeiten einnimmt, ist man zu allem fähig.«
    Erleichtert ließ der Abbé Mouret das Gewitter über sich ergehen.
Er empfand, wie seine Nerven sich entspannten bei den aufgeregten
Reden der alten Dienerin.
    »Lassen Sie es gut sein, meine liebe Teuse,« sagte er,
»zuallererst werden Sie Ihre Schürze wieder umbinden.«
    »Nein, nein,« schrie sie, »es ist aus, ich
gehe.«
    Er erhob sich und band ihr lachend die Schürze wieder um. Sie
wehrte sich unter Gestammel:
    »Nein, ich will nicht, sag' ich Ihnen … Ein Schmeichler
sind Sie. Ich durchschaue Ihr Spiel, ich merke wohl. Sie wollen
mich beruhigen mit Ihrem zuckersüßen Gerede… Wo sind Sie gewesen?
Nun, wir werden ja sehen.«
    Vergnügt und mit Siegermiene setzte er sich wieder an den
Tisch.
    »Erst,« begann er, »muß man mir erlauben, etwas zu essen… Ich
bin ganz ausgehungert.«
    »Kein Wunder,« schnurrte sie gerührt. »Ist das denn auch
vernünftig? Wollen Sie, daß ich noch zwei Spiegeleier mache? Das
geht schnell. Nun, wenn Sie genug haben. Alles ist kalt geworden!
Und ich hatte so achtgegeben auf die Eieräpfel! Wie sie jetzt
aussehen. Alte Schuhsohlen könnte man meinen … Ein Glück, daß
Sie kein Feinschmecker sind wie der arme selige Herr Caffin …
Oh! darüber ist nicht zu streiten, gute Eigenschaften haben Sie…
«
    Sie bediente ihn mit mütterlicher Aufmerksamkeit unter
anhaltendem Geschwätz. Dann, als er fertig war, lief sie nach der
Küche, um nachzusehen, ob der Kaffee noch warm sei. Sie ließ sich
in der Versöhnungsfreude gehen und hinkte auf das abenteuerlichste.
Gewöhnlich hütete sich der Abbé Mouret vor dem Kaffee, der ihm
schlimme Nervenstörungen verursachte; bei dieser Gelegenheit aber
nahm er die gebotene Tasse an, um den Frieden zu besiegeln. Und als
er noch etwas am Tische sitzenblieb, nahm
sie ihm gegenüber Platz und wiederholte sanft, von Neugierqualen
überwältigt, ihre Fragen:
    »Wo waren Sie, Herr Pfarrer?«
    »Nun, ich war bei den Brichet, ich habe mit Bambousse
verhandelt… « antwortete er lächelnd.
    Hierauf mußte er erzählen, was die Brichet sagten, zu welchen
Entschlüssen Bambousse gekommen war, und was für Gesichter sie
machten und wo er sie aufgestöbert hatte. Als sie die Antwort von
Rosaliens

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