Die Sünde des Abbé Mouret
Rasseverfeinerung ihres jungfräulichen Leibes
erhalten; daß sie ein Sondergeschöpf geworden schien, – ein Wesen,
nicht junge Dame, nicht Bäuerin, ein erdgespeistes Mädchen,
schulterbreit und engstirnig, wie eine junge Göttin.
Die Zuneigung zu den Tieren war eine Folge ihrer Geistesarmut.
Wirklich wohl fühlte sie sich nur in ihrer Gesellschaft; sie
verstand ihre Sprache besser als die der Menschen, und pflegte sie
mit mütterlicher Hingebung. Folgerichtige Gedankengänge waren bei
ihr durch Instinkt ersetzt, der sie auf die gleiche Stufe der Tiere
stellte. Beim ersten Wehschrei, den sie ausstießen, erkannte sie
ihr Übel. Leckerbissen erfand sie, auf die sie mit Gier sich
stürzten. Mit einer einzigen Bewegung schlichtete sie ihre
Streitereien, schien auf den ersten Blick ihre gutartige oder
schlimme Verfassung zu erraten, wußte lange Geschichten zu erzählen
mit so genauen Einzelheiten über die Wesensbeschaffenheit des
kleinsten Kükens, daß die Leute aufs tiefste erstaunten, für die
das eine kleine Küken vom anderen kleinen Küken nicht zu
unterscheiden ist. Ihr Viehhof hatte sich auf diese Art zu einem
ganzen Reich ausgeweitet, das sie als Alleinherrscherin regierte;
ein Land von verwirrender Einteilung, erschüttert von
Revolutionen, bevölkert von den
verschiedenartigsten Geschöpfen, deren Lebenslauf ihr allein
bekannt war. Diese Instinktsicherheit ging so weit, daß sie die
tauben Eier einer Brut herausfand und die Anzahl der Jungen eines
Wurfs Kaninchen vorhersagte.
Mit ihrem sechzehnten Jahre vollendete sich ihre Entwicklung.
Desiderata litt in keiner Weise unter Schwindelanfällen und
Übelkeiten, wie andere Mädchen. Sie bekam das Aussehen einer
erwachsenen Frau, und das prächtige Erblühen ihres Fleisches
sprengte die Kleider. Von da an eignete ihr die schwellend
gerundete Büste und das feste Gliedergefüge eines antiken
Bildwerkes, das ganze drängend tierhaft kräftige Wachstum. Es war,
als ob sie der früchtigen Erde ihres Viehhofes verbunden sei und
Lebenssäfte durch ihre weißen, kräftigen Beinsäulen emporstiegen.
Keinerlei fleischliche Begierde entstand in dieser Fülle.
Anhaltende Befriedigung gewann sie aus dem Gefühl, inmitten dieses
Gewimmels zu leben. Zeugungsdünste entrauchten den sich paarenden
Tieren und ihrer Mistschicht, hüllten sie ein und ließen sie die
Freuden der Fruchtbarkeit genießen. Das Eierlegen der Hühner
befriedigte sie. Sie trug ihre Stallhäsinnen zum Männchen, mit dem
Gelächter eines schönen, gemütsruhigen Mädchens; sie empfand das
Wohlbehagen einer Schwangeren beim Melken ihrer Ziege. Durch und
durch gesund, unschuldig sog sie Leben, Wärme und Duft ein.
Keinerlei neugierige Verdorbenheit gab ihr die Sorge um
Fortpflanzung ein, angesichts der flügelschlagenden Hähne, der
gebärenden Weibchen, des den engen Stall durchstinkenden Bockes.
Sie bewahrte ihre schöne, tierhafte Ruhe, ihren klaren,
gedankenlosen Blick und war glücklich,wenn ihre
kleine Welt sich vermehrte, sie fühlte ein Wachsen ihres eigenen
Leibes, befruchtet, so sehr verschmolzen mit all dieser
Mütterlichkeit, daß sie zur Mutter aller wurde, wie die Mutter
Natur selbst, deren nie erzitternden Fingern Zeugungsnaß
enttropft.
Seit Desiderata sich im Artaud aufhielt, zogen ihr die Tage in
vollster Glückseligkeit dahin. Der einzige Traum ihres Lebens ging
in Erfüllung, der einzigste Wunsch, der sie gequält hatte in ihrem
kindlichen Hindämmern. Sie besaß einen Winkel, den man gänzlich ihr
überließ, wo sie nach Herzenslust Tiere aufziehen konnte. Von dort
wich sie nicht mehr, sie führte selbst die Ställe für die Kaninchen
auf, grub den Enten ihren Pfuhl, schleppte Heu und schlug Nägel ein
und duldete keinerlei Hilfe. Die Teusin brauchte sich nur um ihre
Säuberung zu kümmern. Der Wirtschaftshof lag hinter dem Kirchhof;
öfters mußte Desiderata eine neugierige Henne, die über die Mauer
geflattert war, auf den Gräbern einfangen. Am Hofende stand eine
Scheune, in der sich der Kaninchenstall und das Hühnerhaus
befanden; zur Rechten hatte die Ziege Unterkunft gefunden im
kleinen Stall. Sonst lebten alle Tiere gemeinsam, die Kaninchen bei
den Hühnern, die Gänse, Truthennen, Perlhühner und Tauben in
brüderlichem Verein mit drei Katzen, die Ziege nahm ihr Fußbad
neben den Enten. Als Desiderata an dem Lattenzaun, der diesem
ganzen Treiben das Eindringen in die Küche verwehrte, in Sicht kam,
begrüßte sie ohrenbetäubender Lärm.
»Oh! Hörst du sie,« sagte sie
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