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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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durchleuchtet blieb der Schatten, daß in ihm nicht
die süßen Ermattungen sinken konnten wie im dichten Gehölz, Wünsche
nicht aufbeben konnten wie in versteckten Höhlen, grünen
Ruhenischen. Vom Horizont her überwehte sie freie Luft, ein
gesunder Wind, der die Kühle des grünen Meeres ihnen zutrug, dessen
Blumenwogen er aufwachen ließ; der Fluß zu ihren Füßen war, wie
sie, voller Kindlichkeit, Treuherzigkeit, seine frischdünne
Rieselstimme tönte ihnen wie der fernlachende Ruf eines
Spielgefährten. Selige Einsamkeit voller Seelenfrieden, deren
Kahlheit sich in entzückend furchtloser Unwissenheit darbot!
Unübersehbares Feld, in dessen Mitte der enge, ihnen zum
erstmaligen Lager erwachsene Rasen wiegenhafte Einfalt annahm.
    »So, nun sind wir fertig,« sagte Albine und stand auf, »jetzt
haben wir genug geschlafen.«
    Er war ein wenig bestürzt, daß es so schnell
schon zu Ende war mit der Ruhe, streckte den Arm aus und zog sie am
Rock, wie um sie wieder an sich zu ziehen. Lachend fiel sie in die
Knie und sagte:
    »Was denn nun, was denn nun?«
    Er wußte es selbst nicht, sah sie an und umspannte ihre
Handgelenke. Einen Augenblick nahm er sie bei den Haaren, worüber
sie ein Geschrei anstimmte. Als sie dann wieder aufrecht stand,
preßte er das Gesicht in das von ihrem Körper noch durchwärmte
Gras.
    »So, es ist genug,« sagte er und stand nun auch auf.
    Bis zum Abend liefen sie auf den Wiesen umher. Immer mehr
wollten sie sehen. Sie besichtigten ihren Garten. Albine ging
wortlos voraus, spürte umher wie ein junger Hund, immer nach der
seligen Lichtung spähend, obwohl hier nicht die erträumten hohen
Bäume waren. Sergius erschöpfte sich in allerhand ungeschickten
Galanterien. So heftig stürzte er vor, um das hohe Gras
zurückzubiegen, daß er sie fast umgeworfen hätte. Mit beiden Armen
hielt er sie in einer Umarmung, von der sie fast blaue Flecken
bekam, wenn er ihr behilflich sein wollte beim Überspringen von
Bächen. Zu ihrer großen Freude trafen sie auf die drei anderen
Flußläufe. Der erste floß in einem Kieselbett zwischen zwei stetig
fortlaufenden Weidenreihen, so mußten sie sich aufs Geratewohl
vorwärtstasten mitten im Gezweig, und wirklich fielen sie auch fast
in einen großen Wassertümpel; Sergius aber, der zuerst ins Rutschen
gekommen war und dem das Wasser nur bis zum Knie reichte, fing
Albine in den Armen auf und trug sie ans andere Ufer, um sie vor
Nässe zu bewahren. Der zweite Fluß rann schattenschwarz in hoher
Blätterallee; schmachtend zog er dahin mit
dem leisen Rauschen, den weißen Lichtbrechungen eines
Atlasgewandes, das eine Dame im Waldesdunkel träumerisch schleppen
läßt; erregend eisige, tiefe Flut, über die sie zum Glück mit Hilfe
eines von einem zum anderen Ufer gesunkenen Baumstamms gelangen
konnten; rittlings rutschten sie vorwärts und bemühten sich
spaßeshalber, den geschwärzten Stahlspiegel aus der Ruhe zu
bringen; dann beeilten sie sich weiterzukommen; die seltsamen
Augen, die die kleinsten spritzenden Tropfen im schlafenden Strom
aufweckten, erschreckten sie. Aber der letzte Fluß war es zumal,
bei dem sie gern verweilten. Dieser war freudig wie sie; bei
manchen Biegungen verlangsamte er sich, floß von da weiter mit
perlendem Gelächter inmitten mächtiger Steine, beruhigte sich im
Schutz einer Baumgruppe, außer Atem noch und durchzittert; alle nur
erdenklichen Stimmungslaunen waren an ihm zu sehen. Nacheinander
floß er über seinen Sand Felsgeröll, helle Kiesel und lehmige Erde,
die springende Frösche gelb aufsprühen ließen; Albine und Sergius
konnten nach Herzenslust darin herumwaten. Mit bloßen Füßen
schritten sie im Fluß zurück, um nach Hause zu gehen; der Wasserweg
war ihnen lieber als der Grasweg; bei jeder Insel, die ihnen den
Weg sperrte, hielten sie sich auf, stiegen ans Land und eroberten
unbekanntes Gebiet; sie ruhten aus inmitten hohen Schilfes, das
eigens für sie sich zu Hütten für Schiffbrüchige zu biegen schien.
Der Rückweg war reizend, die Ufer zogen bildhaft vorüber das
fließende Wasser stimmte fröhlich. Doch als sie aus dem Fluß
stiegen, fühlte Sergius, daß Albine noch immer auf der Suche nach
etwas war, am Ufer entlang, auf den Inseln, sogar zwischen den
Pflanzen, die im strömenden Wasser
schimmerten. Er mußte sie mitten aus einer Seerosenwiese
herausholen, deren große Blätter ihre Beine mit markisenhaften
Kragengehängen umgaben. Er sagte nichts, drohte ihr aber mit dem
Finger, und so kehrten sie

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