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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Barbarenhorde, behangen mit ihren
Kriegsröcken aus grünem Gewirk, gesalbt mit aus Weihrauch und Harz
bereitetem Balsam. Könige aber waren die Eichen, ungeheuere Eichen,
die aus schwerer Mattigkeit schwere Arme streckten und der Sonne
den Weg verstellten, titanische,wettergetroffene Bäume, die sich zurückbäumten in der
Haltung unbesiegter Ringer, und deren verzweigte Glieder allein
schon einen Wald bildeten.
    War es nicht eine dieser Giganteneichen oder eine jener schönen
Platanen, eine jener frauenweißen Birken, eine jener
muskelkrachenden Ulmen? Albine und Sergius drangen immer weiter
vor, wußten nicht mehr ein und aus in diesem Gewühl. Einen
Augenblick glaubten sie gefunden zu haben, was sie suchten: mitten
in ein Nußbaumviereck gerieten sie, in so kalten Schatten, daß
ihnen die Zähne klapperten. Etwas weiter faßte sie neue Erregung
beim Betreten eines kleinen, ganz moosumgrünten Kastaniendickichts
mit wunderlich gespreitetem Gezweig, geräumig genug, um ihm
hängende Dörfer aufzubauen. Noch weiter machte Albine die
Entdeckung einer Lichtung, auf die sie aufgeregt zustrebten.
Inmitten eines zarten Rasenteppichs überstürzten sich Laubgeblätter
eines Johannisbrotbaumes, grünes Babel, dessen Trümmer sich mit
außerordentlichem Wachstum bedeckten. Steine hingen im Astwerk
verfangen, erdentrissen durch steigende Saftflut. Die oberen Äste
bogen sich um, suchten Halt in der Weite, umgaben den Stamm mit
tiefgewölbtem Bogen, einem Volk neuer Stämme, die sich beständig
vermehrten. Und auf der in blutigen Rissen platzenden Rinde reiften
Schoten. Selbst die Frucht dieses Ungetüms war eine Kraftleistung,
die ihm die Haut durchstieß. Langsam umschlichen sie den Baum,
traten unter die ausgebreiteten Zweige, wo Straßen einer Stadt
Platz gefunden hätten, und durchsuchten mit dem Blick die gähnenden
Spalten der entblößten Wurzeln. Dann gingen sie fort, das
übermenschliche Glück, das sie suchten, fanden sie nicht hier.
    »Wo sind wir eigentlich?« fragte Sergius.
Albine wußte es nicht. Noch nie war sie in diesen Teil des Parkes
gekommen. Sie befanden sich jetzt unter einer Gruppe von Akazien
und Bohnenbäumen, deren Trauben ein fast zu süßer Duft
entströmte.
    »Jetzt haben wir uns verirrt,« murmelte sie und lachte, »diese
Bäume sind mir vollständig unbekannt.«
    »Aber,« begann er wieder, »der Garten muß doch ein Ende haben.
Weißt du nicht, wo der Garten endet?«
    Sie breitete die Arme weit.
    »Nein,« sagte sie.
    Sie blieben stumm, noch nie bisher waren sie so glücklich
durchdrungen gewesen von der Unermeßlichkeit des Parkes. Es
entzückte sie, allein inmitten eines derart großen Gebietes zu
sein, daß sie selbst es aufgeben mußten, seine Grenzen erforschen
zu wollen.
    »Also gut, wir haben uns verirrt,« wiederholte Sergius vergnügt,
»es ist viel lustiger, wenn man nicht weiß, wohin man geht.«
    Demütig näherte er sich ihr.
    »Du hast keine Angst?«
    »O nein. Nur du und ich sind im Garten … Vor wem sollte ich
mich wohl fürchten? Die Mauern sind zu hoch. Wir können sie nicht
sehen, aber sie beschützen uns.«
    Er war ihr ganz nahe und flüsterte:
    »Vorhin hast du dich vor mir gefürchtet.«
    Sie aber sah ihm ins Gesicht, seelenruhig, ohne mit der Wimper
zu zucken.
    »Du tatest mir weh,« antwortete sie. »Jetzt siehst du sehr lieb
aus. Warum sollte ich mich vor dir fürchten?«
    »So erlaubst du, daß ich dich in den Arm
nehme. Wir wollen wieder unter die Bäume gehen.«
    »Ja, du darfst mich fest anfassen, es ist mir angenehm. Und laß
uns langsam gehen, nicht wahr? Damit wir unsern Weg nicht so
schnell wiederfinden.«
    Er hatte einen Arm um sie gelegt. So schritten sie unter die
hohen Stämme zurück, wo sich unter hoheitsvoller Wölbung ihr
Schritt noch verlangsamte, ein Schreiten großer Kinder, die zur
Liebe erwachen. Sie gab vor, etwas müde zu sein und lehnte den Kopf
an Sergius' Schulter. Dennoch sprachen weder er noch sie davon,
sich ausruhen zu wollen. Sie dachten gar nicht daran, es wäre ihnen
eine Störung gewesen. Was für ein Vergnügen konnte ihnen ein
Ausruhen auf dem Gras bieten im Vergleich zu der Freude, immer
weiter so Seite an Seite dahinzugehen? Der märchenhafte Baum war
vergessen. Ihre einzige Sorge war jetzt, Kopf an Kopf zu lehnen, um
sich aus größerer Nähe zulächeln zu können. Und die Bäume, Eschen,
Ulmen und Eichen, flüsterten ihnen ihre ersten Zärtlichkeiten ein
in lichtvollem Schatten.
    »Ich liebe dich,« sagte Sergius mit

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