Die Sünde des Abbé Mouret
dicht ins Gesicht in einem
Freudenausbruch:
»Willst du mein Mann sein, ich will deine Frau sein.«
Er war begeistert von diesem Einfall und erwiderte, noch lauter
lachend als sie, daß er gerne ihr Mann sein wollte. Da wurde sie
mit einem Male ernsthaft und nahm die Miene einer sehr
beschäftigten Hausfrau an.
»Du mußt wissen,« verkündete sie, »ich bin es, die hier zu
befehlen hat … Wir werden frühstücken, sobald du den Tisch
gedeckt hast.«
Und gebieterisch erteilte sie ihm Befehle.
Alles, was sie ihren Taschen entnahm, mußte er im hohlen Stamm
einer Weide bergen, den sie Schrank nannte. Die Stofffetzen waren
die Wäsche, der Kamm stellte die Toilettengarnitur dar, Nadel und
Faden sollten dazu dienen, die Kleider der Entdecker auszubessern.
Was die Mundvorrate anging, so bestanden sie aus der kleinen
Flasche mit Wein und einigen Krusten alten Brotes. War man genau,
so mußte man auch die Streichhölzer anführen, mit deren Hilfe man
die Fische zu kochen gedachte, die gefangen werden sollten. Als er
mit dem Aufdecken der Tafel zu Ende war, die Flasche in der Mitte,
die drei Krusten ringsherum, bemerkte er schüchtern, die Mahlzeit
sei nicht, sehr glänzend. Sie aber zuckte die Achseln in
frauenhafter Überlegenheit, stellte sich ins Wasser und sagte
streng:
»Ich fische. Du wirst zusehen.«
Eine halbe Stunde gab sie sich unendliche Mühe, kleine Fische
mit den Händen zu fangen. Ihre Röcke hatte sie mit einem Fadenende
aufgebunden. Mit endlosen Vorsichtsmaßregeln ging sie vor, damit
das Wasser nicht in Bewegung geriete; war sie dann ganz nahe bei
dem kleinen Fisch, der zwischen zwei Steinen sich hielt, streckte
sie ihren bloßen Arm aus unter aalartigen Windungen und bekam nur
Kies zu fassen. Sergius' schallendes Gelächter trieb sie
aufgebracht ans Ufer zurück, sie schrie ihn an, er habe kein Recht
zu lachen.
»Aber,« sagte er schließlich, »wie willst du deinen Fisch
kochen? Es ist kein Holz da.«
Das nahm ihr allen Mut. Außerdem schien ihr dieser Fisch auch
nicht besonders. Sie stieg ans Land, dachte aber nicht daran, ihre
Strümpfe anzuziehen. Mit bloßen Füßen lief
sie im Gras umher, um sich zu trocknen. Und hier kam sie das Lachen
wieder an, weil sie das Gras an den Fußsohlen kitzelte.
»Oh, Bibernell!« sagte sie plötzlich und warf sich auf die Knie.
»Das ist gut! Das wird ein feiner Schmaus.«
Sergius mußte Pimpernell auf den Tisch häufen, und sie aßen
Bibernell zu ihrem Brot. Albine behauptete, es schmecke besser als
Haselnuß. Sie legte vor, als Herrin des Hauses, schnitt Sergius
Brot ab, unter keinen Umständen wollte sie ihm ihr Messer
anvertrauen.
»Ich bin die Dame,« sagte sie voll Ernst, allen
Empörungsversuchen zum Trotz.
Dann ließ sie ihn die wenigen Tropfen Wein, die in der Flasche
zurückgeblieben waren, dem Schrank einverleiben. Sogar das Gras
mußte er fegen, dann konnte man aus dem Eßzimmer in das
Schlafzimmer gehen.
Albine warf sich zuerst der Länge nach hin und sagte:
»Du verstehst, jetzt werden wir zu Bett gehen. Du mußt dich
neben mich legen, ganz dicht zu mir.«
Ihren Anordnungen gemäß streckte er sich hin. Beide hielten sich
sehr steif, hatten die Hände flach rückwärts unter den Kopf
geschoben und berührten sich von Schultern bis zu Füßen. Vor allem
wußten sie nicht, was mit den Händen anzufangen. Sie blieben
tiefernst, sahen vor sich in die Luft mit weit offenen Augen,
sagten, sie schliefen und es wäre ihnen gut zumute.
»Siehst du,« murmelte Albine, »wenn man verheiratet ist, friert
man nicht. Spürst du nicht meine Wärme?«
»Doch, du bist wie ein Federkissen … Aber wir sollten nicht
sprechen, da wir ja schlafen. Es ist angenehm, nicht zu
sprechen.«
Lange schwiegen sie so, bewahrten ihren
Ernst. Ihre Köpfe hatten sie unmerklich voneinander fortgebogen,
als ob die Wärme ihres Atems sie belästigte. Dann, aus diesem
großen Schweigen ließ Sergius nur diesen Satz laut werden:
»Ich habe dich sehr lieb!«
Es war Liebe vor aller Geschlechtlichkeit, der eingeborene
Liebesdrang, der die kleinen zehnjährigen Männlein den
weißberockten Mädchen nachtreibt. Die offene Wiesenweite um sie
ließ die leise Furcht schwinden, die sie voreinander hatten. Sie
wußten sich gesehen von allen Gräsern, vom weiten Himmel, dessen
Bläue sie betrachtete durch dünnzartes Laub, und das störte sie
nicht. Das Weidenzelt über ihren Köpfen war einfach ein
durchsichtiger Stoffstreifen, als hätte Albine ihr Kleid
ausgespannt. So
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