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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Allraunwurzeln,
Schierling, Rauten und Tollkirschen wehte es sinnverwirrend ihre
Schläfen an, so lähmend, daß sie, aneinandergedrückt, versagenden
Herzens wankten.
    »Soll ich dich tragen?« fragte Sergius Albine, als sie sich
schwer an seine Brust lehnte.
    Schon umschlang er sie mit beiden Armen, doch keuchend riß sie
sich los.
    »Nein, du erdrückst mich,« sagte sie, »laß mich, ich weiß nicht,
was mir ist, die Erde schwankt unter mir… Hier, ach hier tut es mir
weh.«
    Sie griff eine seiner Hände und legte sie sich auf die
Brust.
    Da erblaßte er noch tiefer als sie. Beiden traten Tränen in die
Augen, vor Betrübnis, daß kein Mittel gegen ihr tiefes Leiden sich
finden wollte. Würden sie wohl auf der Stelle sterben müssen an
diesem geheimnisvollen Übel?
    »Komm in den Schatten, ruhe dich aus,« sagte Sergius, »diese
Pflanzen bringen einen um mit ihrem Geruch.«
    Er führte sie, berührte sie kaum mit den
Fingerspitzen, denn sie fuhr schon zusammen, wenn sie seine
Handfläche spürte. Der grüne Flecken, auf dem sie sich niederließ,
war überschattet von einer wundervollen Zeder, die mehr als zehn
Meter weit flache Astdächer rundete. Etwas weiter im Hintergrunde
hoben sich sonderbare
Koniferenabarten; 
Cupressus
 mit plattweichen
Blättern, wie dichte Nadelspitzen; ernste, gerade Fichten,
heiligalten, vom Opferblut noch geschwärzten Steinen ähnelnd; Tarus
in düsteren, silberbefransten Röcken. Alle immergrünen Pflanzen
kräftig untersetzten Wachstums und tiefgrün, wie lackiertes Leder,
gelb und rötlich durchsprenkelt und so spröde, daß die Sonne
machtlos abglitt. Eine Araukaria zumal nahm sich seltsam aus mit
ihren ebenmäßigen großen Ästen, die wie aus verschlungenen
Schlangenleibern gebildet schienen, ihre dachziegelartig
übereinandergeschobenen Blätter sträubten sich wie Schuppen
erzürnter Reptilien. Hier lagerte im tiefen Schatten wollüstige
Wärme, reglos ruhten die Lüfte in Alkovenschwüle. Morgenländischer
Liebesduft, Duft bemalter Lippen der Sulamith entströmte den
wohlriechenden Hölzern.
    »Willst du dich nicht setzen,« sagte Albine.
    Und sie rückte etwas beiseite, um ihm Platz zu machen. Er aber
wich zurück und blieb stehen. Als sie ihn nochmals aufforderte,
ließ er sich in einiger Entfernung auf die Knie gleiten und
flüsterte:
    »Nein, ich habe noch mehr Fieber als du, versengen würde ich
dich… Hör' mich an, müßte ich nicht fürchten, dir weh zu tun,
wollte ich dich umarmen, so fest… so fest, daß wir unsere Leiden
nicht mehr fühlten.«
    Auf den Knien rutschte er etwas näher.
    »Oh, dich in den Armen zu halten, dich ganz
in mich aufzunehmen … An nichts anderes vermag ich zu denken.
In der Nacht erwache ich, strecke die Arme ins Leere, strecke die
Arme nach deinem Bild. Zuerst möchte ich dich nur mit den äußersten
Fingerspitzen berühren, dann langsam, ganz von dir Besitz
ergreifen, bis daß nichts von dir bliebe, bis daß du ganz mein
geworden wärest von Kopf zu Füßen. Nie ließe ich von dir. Das muß
köstlicher Reichtum sein, so zu eigen haben, was man liebt. Mein
Herz ginge auf in dem deinen.«
    Er kam noch näher, den Saum ihres Kleides hätte er berühren
können mit der ausgestreckten Hand.
    »Aber ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat, ich fühle mich
weit fort von dir… Eine Mauer ist zwischen uns, die ich nicht
einzustoßen vermag mit Gewalt. Und doch fühl' ich mich so kräftig
heute. Ich könnte dich fesseln mit meinen Armen, dich mir auf die
Schulter werfen und forttragen, wie mir ganz gehöriger Raub. Aber
das brächte mir keine Befriedigung. Wenn meine Hände dich fassen,
halten sie nur ein Weniges deines Wesens … Wo denn weilst du
gänzlich, daß ich ganz dich finde!«
    In anbetend demütiger Haltung war er niedergebrochen, küßte den
Saum von Albines Kleid. Da riß sie sich steil empor, als habe die
Liebkosung bloße Haut berührt. Stammelnd, entsetzt griff sie sich
nach den Schläfen.
    »Laß doch, ich bitte dich, gehen wir weiter.«
    Sie floh nicht. Langsam ging sie vor Sergius her, unentwegt,
ihre Füße stießen an Wurzelfasern und immer noch preßte sie ihren
Kopf zwischen den Händen, um das sie erfüllende Gelärm zu
ersticken. Als sie heraustraten aus dem kleinen Gehölz, schritten
sie eine Weile über Felsenstufungen, auf
denen ein ganzes Volk hitzig fetter Pflanzen sich duckte. Wie ein
Kriechen, Aufhüpfen namenloser Tiere in bösen Träumen war es, von
Ungetümen, die fabelgroßen Spinnen, Raupen,

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