Die Sünde des Abbé Mouret
vorausgehen zu lassen; sein Atem beunruhigte sie, sie litt
unter seiner Nähe, die sie in ihrem Rücken spürte. Die Felsen
ringsum hoben sich in steinern weiten Schichten, in sanfter
Steigung lagerten Felder riesenhafter Blöcke übereinander,
rauhstachelicht bepflanzt. Zuerst trafen sie auf goldenen Ginster,
Thymianstreifen, Salbei und Lavendelbreiten, auf alle
Balsampflanzen, herben Wacholder, bitteren Rosmarin von
sinnverwirrendem Geruch. Zu beiden Seiten des Weges bildeten sich
von Zeit zu Zeit Hecken aus Stechpalmen, die zartester
Schlosserarbeit nicht unähnlich waren; schwarzbronzenem,
schmiedeeisernem, poliertem Kupfergegitter mit seltsamsten
Ornamenten, reich beblüht von Stachelrosetten; der schmale Schatten
lastete bleiern auf ihren Schultern.
Die dürren Tannennadeln knisterten unter
ihren Füßen am Boden, und im harzigen Aufstäuben trockneten ihre
Lippen noch mehr.
»Dein Garten versteht hier keinen Spaß,« bemerkte Sergius und
wandte sich Albine zu.
Sie mußten lächeln. Am Quellenrand standen sie. Dies klare
Gewässer schaffte ihnen Erleichterung. Obzwar er sich nicht unter
Grünem barg, wie die Wiesenquellwasser, die sich in dichtem
Blattwerk verstecken, um im trägen Schatten zu ruhen. In voller
Sonne entsprangen sie, aus einem Felsenspalt, ohne daß der kleinste
Grasbüschel die Bläue ihres Wassers durchgrünt hätte. Silbern
schienen sie, durchleuchtet vom hellen Tag. Auf ihrem Grund
überstäubte die Sonne den Kies in beweglich atmender Klarheit. Und
dem ersten Becken entrannen sie, reckten Arme von unschuldiger
Weiße; in spielerisch nackter Kindlichkeit prallten sie auf,
ergossen sich plötzlich und fielen nieder, wie weich sich
biegender, hellhäutiger Frauenleib.
»Netze deine Hände,« rief Albine, »das Wasser ist eisig auf dem
Grund.«
Und wirklich vermochten sie sich die Hände zu kühlen. Sie
spritzten sich Wasser ins Gesicht und hielten sich in den feuchten
Dämpfen, die von dem Geriesel aufstiegen. Die Sonne war wie
umnebelt.
»Sieh doch,« rief Albine wiederum. »Da liegt der Blumengarten,
der Wald, das Wiesenland.«
Sie betrachteten eine Weile das zu ihren Füßen sich breitende
Paradeis.
»Und siehst du wohl,« fuhr sie fort, »nicht das mindeste ist zu
entdecken von der Mauer. Das ganze Land ist unser, bis zum
Himmelssaum.«
Unmerklich hatten sie sich umschlungen mit
einer Bewegung vertraulicher Sicherheit. Die Quellen beruhigten
ihre Hitze. Doch im Gehen schien sich eine Erinnerung Albines zu
bemächtigen; sie führte Sergius zurück und sagte:
»Da drüben, wo die Felsen aufhören, habe ich die Mauer einmal
gesehen, vor langer Zeit.«
»Aber man sieht doch gar nichts,« murmelte Sergius, der leicht
erblaßt war.
»Doch, doch… sie steht wohl hinter dem Kastanienweg, der sich an
jenes Buschwerk anschließt.«
Dann fügte sie hinzu, da sie fühlte, wie Sergius' Arm sie
krampfhafter umpreßte:
»Ich irre mich vielleicht… und doch ist mir erinnerlich, daß ich
sie plötzlich vor mir sah, beim Verlassen der Kastanienallee. Sie
verstellte mir den Weg, stand so steil vor mir, daß ich Angst
bekam. Und einige Schritte weiter sah ich zu meinem Erstaunen, daß
sie eingestürzt war, eine riesige Lücke tat sich auf, durch die man
weit übers Land hinsah.«
Sergius betrachtete sie mit ängstlich bittendem Blick,
beschwichtigend zuckte sie die Achseln.
»Oh, das Loch habe ich ausgefüllt! Geh mir, hab' ich dir nicht
gesagt, daß wir ganz ungestört sind… Ich hab' es sofort ausgefüllt.
Mein Messer hatte ich bei mir. So schnitt ich Dornenranken, rollte
große Steine herbei. Kein Spatz darf herein. Wenn du willst, sehen
wir nach, einen dieser Tage. Zu deiner Beruhigung.«
Verneinend schüttelte er den Kopf. Dann gingen sie weiter, sich
umschlungen haltend, neuerdings bedrückt. Sergius betrachtete
Albine von der Seite, sie litt unter diesem Blick und ihre Lider zuckten. Wie gerne wären
sie beide umgekehrt und hätten sich so der Pein längerer Wanderung
entzogen. Doch eigenem Willen entgegen, wie von fremden Willen
getrieben, umschritten sie einen Felsen, kamen zu einer Matte, die
sonnentrunken ihrer wartete. Hier fanden sich die angenehm
ermattenden aromatischen Gewächse nicht mehr, Moschusduft des
Thymian und Lavendelweihrauch. Übeldünstende Pflanzen zertrat ihr
Fuß, betäubende Herbe ausströmender Absinth, nach verwesendem
Fleisch riechende Nieswurz, durchhitzten Baldrian, ganz gebadet in
seine sinnlich erregenden Ausscheidungen. Von den
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