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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kellerasseln ähnelten,
mit schlüpfrig-nackter Haut oder ekelhaft-flaumiger Stachelhaut,
die Ungewisse Glieder schleiften, mißgebildete Beine, zerstückte
Arme; die einen bliesen sich auf wie unzüchtige Bäuche, anderen war
das Rückgrat wuchernd überbuckelt, noch andere erschienen zerfetzt
und verrenkt, wie gelenkzerbrochene Gerippe. Mammillarien häuften
wunde Pusteln, wimmelten wie grünliche Schildkröten, erschreckend
bebartet mit langem Gefaser, härter als Eisendraht. Die
Echinokakteen wiesen mehr von ihrer Haut und glichen Nestern
ineinander verstrickter junger Vipern. Kugeldisteln zeigten sich
nur wie eine Beule, eine behaarte Erhebung, die wie riesiges,
kugelförmig zusammengerolltes Insekt anzusehen war. Opuntien
bäumten ihre fleischigen Blätter empor, überpudert mit
rotangelaufenen Nadeln, gleich Schwärmen winziger Bienen, gleich
ungeziefergefüllten Beuteln, deren Maschen reißen. Gasterien
streckten Beine von sich, wie auf dem Rücken liegende
Weberknechtsspinnen, mit schwärzlichen, überpunkteten, streifig
damaszierten Gliedern. Zereus erging sich in schamlosem Wachstum,
in mächtigen Polypenbildungen, krankhaftem Ausbruch über heißer
Erde, Lastertreiben vergifteter Säfte. Aloen aber entfalteten in
Massen ihre ohnmächtiglässigen Pflanzenherzen; jede Tönung von Grün
gab es zu sehen: Zartgrün, Scharfgrün, Gelblichgrün, Graugrün,
bräunlichrot bespritztes und dunkles, hellgolden berandetes Grün;
in allen Formen und Größen standen sie, mit breiten, herzförmig
geschnittenen Blättern, schmalem, messerklingenartigem Blattwerk, manche dornengezackt, andere zart
umgebogen; riesenhafte unter ihnen hoben weit hinaus hohen
Blütenstab, dem Ketten von Rosenkorallen zu entfallen schienen;
kleine entwuchsen gehäuft einem einzigen Stiel zu fleischiger
Blüte, die nach allen Seiten bewegliche Natterzungen schoß.
    »Wir wollen zurück in den Schatten gehen,« flehte Sergius. »Du
lagerst dich wie vorhin und ich kniee mich neben dich und rede zu
dir.«
    Sonne umregnete sie in großen Tropfen. Hier herrschte das
Gestirn, ergriff Besitz von der nackten Erde, umarmte sie glühend.
In Hitzebetäubung taumelte Albine und wandte sich zu Sergius.
    »Stütze mich,« sagte sie mit ersterbender Stimme. Kaum berührten
sie sich, so sanken sie hin, Mund auf Mund gepreßt, lautlos. Es war
ihnen zumut, als fielen sie immer tiefer, als hätte der Felsen sich
abgründig unter ihnen aufgetan. Ihre irren Hände suchten entlang an
Gesicht und Nacken, tasteten hin über ihre Hüllen. Aber so tiefes
Angstgefühl ergriff sie fast augenblicklich, daß sie sich entsetzt
aufrafften und ihr Begehren nicht tiefer zu stillen vermochten. Und
so enteilten sie jeder auf anderem Weg.
    Sergius lief zum Gartenhaus zurück und warf sich verzweifelten
Herzens mit brennenden Schläfen aufs Bett. Albine fand erst am
Abend zurück ins Haus, sie hatte sich in einem Gartenwinkel
ausgeweint. Zum erstenmal waren sie nicht gemeinsam heimgekehrt,
wohlig ermüdet von langer Wanderung. Drei Tage schmollten sie
miteinander und fühlten sich tief unglücklich.

Kapitel 13
     
    Zu dieser Stunde war der ganze Garten ihnen untertan. Als
Herrscher hatten sie von ihm Besitz ergriffen. Nicht eine Handbreit
Erde, die ihnen nicht ganz zu eigen gewesen wäre. Für sie blühte
der Rosenwald, ihnen spendete der Blumenhang sanft-weiche Düfte,
deren Hauch nachts eindrang durch offene Fenster und sie in
Schlummer wiegte. Der Fruchtgarten spendete ihnen Nahrung, füllte
mit Früchten Albinens ausgespanntes Kleid, erquickte sie mit würzig
schattendem Gezweig, unter dem es sich so gut frühstücken ließ bei
Sonnenaufgang.
    Auf den Wiesen gehörten ihnen Gräser und Bäche; das sein Reich
ins Unendliche weitende Gras, das unaufhörlich vor ihnen seidige
Teppiche breitete; Wasser, das ihre reinste Freude war, ihre
Unschuld, Unberührtheit, kühles Rieseln, in dem sie ihre Jugend zu
erfrischen liebten. Der Wald war ihr Eigentum, von den mächtigen,
von zehn Männern kaum zu umspannenden Eichen, bis zu den schlanken
Birken, die ein Kind mühelos fällen konnte; der Wald mit all seinen
Bäumen, seinen Schatten, Wegen und Lichtungen, grünen Verstecken,
von den Vögeln selbst ungekannt; der Wald, über den sie nach
Herzenslust verfügten, wie über riesenhaftes Zelt, unter dem sie in
der Mittagsstunde ihre am Morgen geborene Zärtlichkeit Schutz
suchen ließen. Sie herrschten allüberall, selbst über Felsgestein,
Quellen, böses Gebiet ungeheuerlicher

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