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Die Sünde in mir

Die Sünde in mir

Titel: Die Sünde in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alegra Cassano
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herausgerissen aus seinem vertrauten Umfeld? Ihm wurde langsam bewusst, wie verloren sie sich vorkommen musste.
    „Ich … denke mir Geschichten aus“, flüsterte Nicole geheimnisvoll.
    Frank wusste, dass sie vierzig war, aber sie hatte die Statur eines Kindes, allenfalls eines Teenagers. Oder kam sie ihm nur so klein vor, weil sie sich so extrem zusammenkauerte?
    „Geschichten?“, echote Frank, weil er erst einmal überlegen musste. Sie benutze also ihre Fantasie, um sich die Langeweile zu vertreiben. Oder um vor etwas die Augen zu verschließen?
    „Was denn für Geschichten?“
    Sie zuckte die Schultern.
    „Willst du mir nicht mal eine davon erzählen?“
    Ein Kopfschütteln, das ziemlich endgültig aussah.
    Frank lächelte traurig. „Schade. Vielleicht ein anderes Mal?“
    Nicole zuckte wieder die Schultern.
    „Wann denkst du dir denn diese Geschichten aus?“
    Stirnrunzelnd sah sie ihn an, so als hätte er gerade die dümmste Frage auf der Welt gestellt.
    „Wenn mir langweilig ist“, sagte sie. Es klang gereizt.
    Er lachte. „Ja, natürlich. Aber wann ist dir denn zum Beispiel langweilig?“
    Sie zog das Kissen ein Stück höher, sodass er nur noch ihre Augen sehen konnte.
    „Wenn es regnet und ich nicht raus kann und Papa mit Sabine in der Küche ist und ich nicht rein darf.“
    Der Satz kam in einem Atemzug, wie gehetzt, als müsse sie ihn ganz schnell loswerden.
    Frank hätte sich am liebsten Notizen gemacht, bezwang aber den Drang, nach dem kleinen Buch zu greifen, das er immer in der Hosentasche trug. Später war auch noch Zeit dafür.
    „Wer ist denn Sabine?“, fragte er.
    „Meine große Schwester!“
    „Okay. Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast. Versteht ihr euch denn gut?“
    Nicoles Blick wanderte an Frank vorbei, zur Tür, von da nach oben zur Decke und dann wieder zurück zu ihm.
    „Ja, aber manchmal ist sie doof.“
    Frank schmunzelte. „Ich habe auch einen älteren Bruder. Größere Geschwister können wirklich nerven.“
    Nicole lächelte verschwörerisch zurück: „Und Kleine erst“, sagte sie.
     
     
     
     
     
     
     
     

Kapitel 18
    Früher
     
     
    Mama geht an manchen Tagen weg und Papa muss dann auf uns aufpassen. Nachmittags geht sie einmal in der Woche zur Frauenhilfe in die Kirche. Abends hat sie einen Nähkurs, auch in der Kirche, aber in einem anderen Raum. Manchmal muss ich da hinkommen, weil sie was abmessen oder ausprobieren will, denn sie näht einen Teil meiner Anziehsachen selbst. Dann hat sie noch Turnen, aber das ist morgens, wenn wir in der Schule und im Kindergarten sind. Einmal im Monat macht sie Kaffeeklatsch mit ihren Freundinnen und dann geht sie noch samstags mit Papa zum Kegeln. Da passt Sabine dann auf uns auf.
    Wenn die Mama nachmittags weg ist, bleibt Papa zu Hause. Meistens sind wir draußen zum Spielen, aber wenn es regnete oder zu kalt ist, müssen wir drin bleiben, vor allem ich. Ich habe nämlich immer Husten und der wird dann schlimmer.
    Papa sagt: „Ich bin mit Sabine in der Küche und höre Vokabeln ab. Ihr bleibt in eurem Zimmer und spielt! Wehe, ihr stört uns.“
    Natürlich stören wir nicht.
    An einem Tag war ich aber doch mal neugierig. Ich ließ Tanja alleine und schlich mich in den Flur. Der war ganz schmal und eng. Ich drückte mich an der Wand entlang, bis zur Küchentür. Die war weiß und hatte oben ein Fenster aus geriffeltem Glas. Ich hätte aber sowieso nicht reingucken können, denn das war viel zu hoch.
    „Ja, so machst du das gut. So ist es schön“, hörte ich Papa sagen. Einen Moment lauschte ich noch, aber von Sabine hörte ich nichts. Vielleicht waren sie ja gerade mit den Vokabeln fertig. Schnell lief ich zurück ins Kinderzimmer, bevor die mich erwischten.
    An einem anderen Tag schlich ich wieder zur Küchentür. Warum taten die nur so geheimnisvoll? Ich konnte doch die Vokabeln ruhig hören, oder? Tanja hatte großen Durst und quengelte, und nur in der Küche gab es etwas zu trinken. Ich zögerte lange, denn ich sollte ja nicht rein kommen, das sagte Papa jedes Mal, bevor er mit Sabine verschwand. Ich überlegte, Wasser aus dem Kran zu holen, aber Oma sagte immer, davon bekäme man Läuse im Bauch. Außerdem hatte ich kein Glas.
    „Papa?!“, rief ich deswegen und wartete bange darauf, was passieren würde.
    Es kam keine Antwort. In der Küche war es ganz still, so als wäre gar keiner da drin. Dann hörte ich merkwürdige Geräusche, fast als wenn jemand weinen würde. Hatte Sabine die Vokabeln

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