Die Sünde
wichtig, wenn ich fragen darf? Liegt deine Mutter im Sterben?«
»Mit so etwas scherzt man nicht! Meine Mutter hat nur eine leichte Grippe, mehr nicht.«
»Und deswegen musstest du eine 20 Meter lange Bremsspur hinlegen und wichtige Ermittlungen verzögern?«
»Hey, Mann, atme mal locker durch die Hose. Ich musste mit meinem Vater sprechen, denn ich wollte wissen, mit wem ich zu der Leiche fahre und mit wem ich es in den nächsten sechs Wochen zu tun habe. Das ist wichtig genug.«
»Soll das ein Witz sein? Der kennt mich doch gar nicht.«
»Ich habe ihm von dir erzählt und er hat dich gesehen.«
»Und das genügte ihm, sich ein Urteil über mich zu erlauben?«, entgegnete Nawrod sarkastisch.
»Mein Vater hat sich noch nie geirrt, wenn es um Menschen geht. Er hat Röntgenaugen und sieht mit einem Blick, wen er vor sich hat. Darauf kannst du Gift nehmen. Zu ihm kommen Landsleute von überall her, um sich Rat zu holen.« Mit diesen Worten startete die junge Beamtin den Wagen und fuhr los.
»Erzähl das deiner Großmutter oder sonst jemandem, aber nicht mir.«
»Die weiß das schon.« Yalcin lachte laut.
»Und, welches Urteil hat der allwissende Guru über mich gefällt?«
»Du scheinst im Großen und Ganzen okay zu sein. Das reicht mir.«
»Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.«
Kurze Zeit später hielt Yalcin den Wagen vor einem schmucken Einfamilienhaus in der Panoramastraße an. Ein junger Kollege der Schutzpolizei kam ihnen entgegen. Er grüßte höflich, Yalcin und Nawrod grüßten zurück. Noch bevor Nawrod die erste Frage stellen konnte, sagte der Polizeimeister:
»Da hinten in der Garage ist es passiert. Der Mann hat an seinem Oldtimer herumgebastelt.«
Nawrod nickte. Yalcin folgte ihm, als er sich in Richtung Garage begab. Für ihn war diese Art von Arbeit Routine. In weniger als einer halben Stunde konnte er den Unfall in seiner Entstehung rekonstruieren. Ursache war eine undichte Benzinleitung gewesen. Als der austretende Benzindampf die kritische Sättigungsgrenze erreicht hatte, gab es durch die Funkenbildung beim Schweißen eine Verpuffung, die das Leben des Bastlers abrupt beendete.
Yalcin hatte mit dem süßlichen Brandgeruch und dem leicht verkohlten Aussehen der Leiche schwer zu kämpfen. Doch sie riss sich zusammen. Ihr sonst etwas dunkler Teint hatte sich aber in eine auffallend blasse Gesichtsfarbe gewandelt.
»Ein Verschulden Dritter ist hier auszuschließen«, sagte Nawrod, nachdem er seine Untersuchung beendet hatte. »Wir müssen der Staatsanwaltschaft nur noch eine kurze Leichenmeldung vorlegen, dann ist der Fall für uns erledigt.«
Yalcin nickte erleichtert. Sie war froh, als sie endlich die Garage verlassen konnte.
Nawrod gewöhnte sich sehr schnell an seine neue Dienststelle und an die Kollegen des Dezernates. Yalcin folgte ihm auf Schritt und Tritt, was seine Vermutung verstärkte, dass man sie auf ihn angesetzt hatte. Er ließ sich jedoch nichts anmerken, denn hätte er sie darauf angesprochen oder sie sogar entlarvt, wäre sie sicher sofort durch eine andere Person ersetzt worden.
Am vierten Tag ihrer Zusammenarbeit waren Nawrod und Yalcin zu einer jungen Frau unterwegs, die in der Nacht von drei Jugendlichen scheinbar grundlos und in brutaler Weise zusammengeschlagen worden war. Das Opfer lag in der Uniklinik und war, wie Nawrod von dem behandelnden Arzt telefonisch erfuhr, nur bedingt vernehmungsfähig. Gerade wollte Nawrod seiner jungen Kollegin erklären, wie man so einen Fall am besten angeht, als sie über Funk gerufen wurden.
»Uran 21 von Uran!«, quäkte es aus dem Lautsprecher.
Nawrod presste den Hörer an sein Ohr. »Hier Uran 21, was liegt an?«
»Uran 21, fahren Sie beschleunigt zum Königstuhl. Dort vermutliches Tötungsdelikt. Kollegen sind bereits dort.«
»Wo befindet sich der genaue Tatort?«
»Fahren Sie über den Molkenkurweg rechts in den Felsenmeerweg rein. Das ist ein breit ausgebauter Waldweg. Nach circa zwei Kilometern müssten Sie den Tatort erreicht haben.«
Nawrod schaute Yalcin fragend an. »Okay«, sagte Yalcin und hob den Daumen.
»Habe verstanden«, antwortete Nawrod und drückte den Funkhörer wieder in die Halterung. »Na, dann mal los, Kleine!« Mit diesen Worten ließ er die Beifahrerscheibe herunter und setzte den Kojak auf das Dach. Gleichzeitig schaltete er das Martinshorn ein. Im selben Moment bereute er sein Tun, denn ihm fiel siedend heiß ein, wie seine Kollegin jetzt reagieren würde.
»Hey ho, let’s go!«,
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