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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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gewesen sein. Nur ein Samurai ist zu solch einer sauberen Enthauptung fähig«, murmelte Nawrod. Er erinnerte sich an den Auftritt eines japanischen Schwertkämpfers im Fernsehen, der Melonen mit einem Schwerthieb zerteilte, ohne dass der Untergrund, auf dem die Früchte lagen, auch nur einen Kratzer davontrug.
    »Aber wie, um Himmels Willen, konnte der Täter seinem Opfer während der Fahrt den tödlichen Schwerthieb beibringen? Für die nötige Ausholbewegung wäre doch die Windschutzscheibe im Wege gewesen. Vielleicht saß der Mörder hinten auf dem Notsitz. Dann hätte er ein langes, rasiermesserscharfes Mordwerkzeug über den Kopf seines Opfers bringen müssen, um es anschließend am Hals ansetzen zu können. Nein, das ist unmöglich. Solch ein glatter Schnitt konnte nur durch einen gewaltigen Hieb erfolgt sein.« Tief in Gedanken versunken, schüttelte Nawrod mehrfach seinen Kopf.
    Als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte, erschrak er so sehr, dass er, wie von einer Tarantel gestochen, herumfuhr.
    »Entschuldigung, Jürgen, ich bin’s nur«, sagte Yalcin leise. Zum ersten Mal nannte sie ihn beim Vornamen.
    »Hast du mich jetzt aber erschreckt, Kleine. Was suchst du überhaupt hier? Verdrück dich zu den Kollegen. Das hier ist nichts für zarte Mädchen.«
    »Spar dir die Spucke. Bin wieder okay und werde es schon irgendwie schaffen.«
    Yalcin war immer noch blass wie Ziegenkäse. Nawrod sah sie skeptisch an. »Okay, dann sieh dir mal alles ganz genau an und sag mir, was dir auffällt. Aber pass auf, dass du dabei keine Spuren zerstörst.«
    Yalcin nickte und ging vorsichtig um den Porsche herum. Anschließend blieb sie neben Nawrod stehen.
    »Die Zündung ist eingeschaltet und der zweite Gang eingelegt. So wie es aussieht, könnte er im Schneckentempo gegen den Baum gefahren sein. Die Frage ist, ob er da schon im Jenseits war oder nicht. Hast du den Zettel auf dem Beifahrersitz gesehen?«
    »Ja. Was meinst du? Eine Botschaft?«
    »Ganz offensichtlich kann uns da jemand nicht leiden. Fuck the Bullenpack ist ein gängiger Spruch und wird von unserer Gegenseite gerne verwendet, weil er sich reimt, sagte mir mal ein Bekannter, der auf die schiefe Bahn geraten ist.«
    »Du hast aber auch Bekannte.« Nawrod hob die Augenbrauen.
    »Man kann sich Bekannte nicht immer aussuchen und manche werden nun mal vom Paulus zum Saulus.«
    »Eine Muslima zitiert Bibelsprüche?« Nawrod war überrascht.
    »Hab ich mal bei euch Heiden aufgeschnappt. Ist aber kein Bibelspruch. Eher eine Art Sprichwort, das allerdings auf die Bibel zurückgeht.« Nawrod unterdrückte ein weiteres Staunen. Yalcin grinste kurz. »Was geht jetzt hier ab?«
    »Da müssen die Spurensicherung und die Gerichtsmedizin her. Ich rufe Wegner an. Der soll alle Kräfte mobilisieren, die er noch zur Verfügung hat. Alleine können wir beide diese Scheiße nicht bearbeiten.«
    Vier Stunden später betraten Yalcin und Nawrod das Rechtsmedizinische Institut der Universität Heidelberg. Auf dem Flur vor den Sezierräumen hingen frisch gewaschene blaue und grüne Arztkittel an der Wand. Nawrod überlegte kurz, warum die Obduzenten wohl verschiedenfarbige Kittel trugen. Vielleicht hatte das mit der Rangordnung innerhalb des Institutes zu tun. Er hatte schon einige Besuche in Gerichtsmedizinischen Instituten hinter sich, aber dieser Umstand war ihm noch nie aufgefallen.
    Nawrod war an den ekelerregenden Verwesungsgeruch einigermaßen gewöhnt. Er wunderte sich immer wieder, weshalb die Geruchsbakterien auf den Schleimhäuten von Mund und Nase einen süßlichen Geschmack hinterließen, der aber keinesfalls, wie etwa beim Verzehr von leckeren Süßigkeiten, ein gutes Gefühl vermittelte. Ganz im Gegenteil. Er bekam nach dem Betreten des Gebäudes bei den ersten Atemzügen unweigerlich einen Brechreiz, der sich aber schnell legte.
    Obwohl er sich jedes Mal innerlich dagegen wehrte, erinnerten ihn die mit hellen Kacheln versehenen Böden und Wände einer Gerichtsmedizin an einen Schlachthof. Nur roch es hier eben nach toten Menschen und nicht nach geschlachteten Schweinen und Kühen. Für Yalcin war es das erste Mal. Es traf sie wie ein Keulenschlag. Sie spürte sofort die allgegenwärtige Kälte des Todes im Raum. Den nackten Leichnam nahm sie nur in seiner Gesamtheit wahr, Einzelheiten verschwammen vor ihren Augen. Der Tote lag langgestreckt auf dem Obduktionstisch. Auf einem kleineren Tisch daneben lag der Kopf. Yalcin hatte noch nie so blasse Menschenhaut

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