Die Sünde
rief Yalcin voller Eifer, schaltete in den zweiten Gang hinunter und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Als sie am Adenauerplatz in die Friedrich-Ebert-Anlage einbogen und bei Rot über die Ampel fuhren, hätten sie um ein Haar einen Lkw gerammt.
»Wenn du so etwas noch mal machst, nehme ich dir eigenhändig den Führerschein ab«, schrie Nawrod.
»Hey, Mann, deine Pampers kannst du später wechseln. Ich hab alles im Griff. Tust ja gerade so, als ob du noch nie eine Blaulichtfahrt mitgemacht hättest«, antwortete Yalcin laut, da das Aufheulen des Motors keine normale Unterhaltung zuließ.
Kurze Zeit später befanden sie sich auch schon auf dem Waldweg, dessen feiner Splitt von den Reifen gegen die Radkästen geschleudert wurde. Nawrod schaltete das Sondersignal aus. Schon bald sahen sie vor sich einen Streifenwagen stehen, hinter dem in einigem Abstand ein Porsche Cabriolet mit heruntergelassenem Verdeck stand. Der Sportwagen war offensichtlich von der Fahrbahn abgekommen und mit der rechten Frontseite gegen einen Baum geprallt.
»Tag, Jungs«, begrüßte Nawrod die beiden Kollegen der Schutzpolizei. »Kam da vielleicht ’ne Fehlmeldung über den Äther? Für Verkehrsunfälle sind wir doch bekannterweise nicht zuständig, oder?«
»Vielleicht schaust du dir die Sache erst einmal an. Dann reden wir weiter«, antwortete der Ältere der beiden und sah dabei betreten zu Boden. Der andere nickte nur und wich Nawrods fragendem Blick aus. Yalcin beschlich ein ungutes Gefühl, doch sie wusste nicht, woher es kam und wie sie es deuten sollte.
»Der Anrufer kam über 110 und nannte seinen Namen nicht. Er sagte nur, beim Felsenmeerweg ist ein Toter. Dann legte er auf. Die Kollegen der Funkleitzentrale haben bereits seinen Namen festgestellt. Der Mann heißt Manfred Lawiner und wohnt in der Otto-Hahn-Straße 131.«
»Na, dann wollen wir mal.« Nawrod setzte sich in Bewegung. Yalcin blieb dicht an seiner Seite, während die Kollegen stehen blieben.
»Da sitzt ja gar keiner drin«, sagte Yalcin heiser, als sie noch etwa fünf Meter entfernt waren.
»Vielleicht war er nicht angeschnallt und wurde von der Wucht des Aufpralls hinausgeschleudert«, erwiderte Nawrod und hielt kurz inne, um sich das Kennzeichen zu notieren. Yalcin ging langsam weiter. Als sie auf der Höhe der Fahrertür ankam, stieß sie einen schrillen Schrei aus, der Nawrod durch Mark und Bein fuhr und im dichten Wald ein seltsam klingendes Echo hinterließ. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Nawrod sah, dass sich ihr ganzer Körper versteifte. Mit drei schnellen Schritten war er bei ihr und hielt sie an den Schultern fest. Die junge Beamtin zitterte wie Espenlaub. Dann sah er es auch. Er musste zweimal kräftig schlucken. In seinen fast 25 Dienstjahren hatte er bestimmt schon viel gesehen, doch dies hier übertraf alles und stellte auch ihn auf eine harte Probe. Er drehte Yalcin zu sich, nahm sie in den Arm und führte sie ein paar Meter vom Fahrzeug weg. Dann winkte er einen der beiden Kollegen heran.
»Bleib mal bei ihr«, bat er mit vielsagendem Blick. Der Kollege nickte betreten und führte Yalcin noch etwas weiter in Richtung Streifenwagen.
Auf etwaige Spuren am Boden achtend, ging Nawrod wieder an den Tatort zurück. Obwohl er sich vornahm, sich zu konzentrieren und Ruhe zu bewahren, schnellte sein Puls in die Höhe. »Reiß dich zusammen!«, murmelte er zu sich selbst. »Da musst du durch!« Er blieb im Abstand von etwa einem Meter neben der Fahrertür stehen und sah sich alles genau an. Es fiel ihm ungemein schwer. Der Fahrer saß angeschnallt hinter dem Steuer. Die Airbags hatten nicht ausgelöst, was den Schluss zuließ, dass der Aufprall gegen den Baum bei sehr geringer Geschwindigkeit erfolgt sein musste. Nawrod sah sich die Beschädigung des Porsches kurz an und nickte stumm. Anschließend widmete er sich wieder dem Fahrer. Sein Kopf war abgetrennt und lag zwischen den offenen Händen auf dem Schoß des Mannes, und zwar so, dass seine weit aufgerissenen Augen direkt auf Nawrod schauten. Auf der linken Gesichtshälfte hatte sich eine dicke Blutkruste gebildet. Insbesondere die Kleidung der Leiche sowie der Fahrersitz, aber auch andere Teile des Innenraumes waren ebenfalls voller Blut, das teilweise noch nicht geronnen war. Der Kopf war auffallend sauber vom Rumpf getrennt. Nawrod konnte die Öffnungen von Luft- und Speiseröhre sehen, auch die beiden Halsschlagadern kamen deutlich zum Vorschein.
»Das Schwein muss ein Samurai
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