Die Sünde
führt in dieses Bistum. Ein Kollege namens Goll hat bereits interveniert.«
»Und warum sind Sie und nicht er jetzt hier?«, erwiderte der Geistliche scheinbar unbeeindruckt.
»Weil Sie … wie war noch mal Ihr Name?«, fragte Nawrod bissig, da es der Kirchenmann noch nicht für nötig gefunden hatte, sich vorzustellen.
»Mein Name ist Eugen Gehlert. Ich bin Generalvikar dieses Bistums und somit Stellvertreter seiner Exzellenz. Ich habe …«
»Gut, Herr Gehlert«, unterbrach ihn Nawrod mit schneidender Stimme. »Ich bin deshalb höchstpersönlich hier erschienen, weil Sie oder eine andere Person Ihrer Institution meinen Kollegen Goll abblitzen ließen. Da wir ein Menschenleben zu retten haben, das jeden Moment ausgelöscht werden kann, sage ich es Ihnen jetzt nur ein einziges Mal, was mein Anliegen ist. Sollten Sie die Unverfrorenheit oder den Starrsinn besitzen, unsere Ermittlungen zu blockieren, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Sie, wenn das Opfer zu Tode kommt, wegen Mord durch Unterlassen einige Jahre in den Knast wandern. Haben Sie das verstanden?«
Trotz seines dicken Halses konnte Yalcin sehen, wie der Adamsapfel des Generalvikars ein paar Mal auf und nieder hüpfte, bevor der Mann antwortete.
»Ich … wir haben Datenschutzbestimmungen zu beachten und ich habe Ihrem Herrn Goll mitgeteilt …«
»Ihre Datenschutzbestimmungen interessieren mich einen Dreck«, entgegnete Nawrod giftig, ohne Gehlert ausreden zu lassen. »Sie sitzen an der falschen Stelle, wenn Sie nicht imstande sind, einmal Ihre verdammten Vorschriften zu vergessen, um damit ein Menschenleben zu retten!«
Eugen Gehlert sprang erbost von seinem schweren Eichenstuhl auf. Noch nie hatte es jemand gewagt, so mit ihm zu sprechen. Sein Gesicht wurde krebsrot. Er schnappte nach Luft, bevor er zum Reden ansetzte. Doch Nawrod gab ihm hierzu keine Chance.
»Sie händigen mir auf der Stelle eine vollständige Liste der Teilnehmer des Priesterseminars aus, an dem ein gewisser Gottwald Radecke teilgenommen hat, oder führen mich jetzt sofort zu Ihrer Exzellenz, sonst lernen Sie mich von meiner unhöflichen Seite kennen!«, sagte er, ohne dabei laut zu werden. Doch seine Worte hingen dermaßen drohend im Raum, dass die Luft vibrierte.
»Und die dürfte Ihnen überhaupt nicht gut bekommen!«, warf Yalcin sehr überzeugend ein.
Generalvikar Gehlert schnaubte. Er sah die beiden mit großen, angsterfüllten Augen an. Schnellen Schrittes stampfte er hinter seinem Schreibtisch hervor und ging in Richtung Tür, die er mit seinen kurzen Armen ungewöhnlich weit aufriss. Unter der Tür blieb er einen Moment stehen und sagte: »Warten Sie bitte!« Dann schlug er mit einem lauten Krachen die Tür hinter sich zu.
»Mann oh Mann, wenn das mal nicht ins Auge geht«, stöhnte Yalcin.
»Wenn du Schiss hast, kannst du ja schon mal runtergehen und dich im Wagen verkrümeln. Mit denen werde ich auch allein fertig«, brummte Nawrod verärgert.
»So habe ich das doch nicht gemeint, Jürgen. Ganz im Gegenteil! Ich bin nur total baff, wie du diesem Generalvikar eingeheizt hast. Das war allererste Sahne, mein Lieber! Immerhin ist der Mann hier die Nummer zwei.«
Nawrods Gesicht hellte sich schlagartig auf. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. »Give me five, Lady!« Er hielt ihr die offene Handfläche entgegen.
Es klatschte laut, als die kleine Hand niedersauste. »Yeah, Partner, ist mir eine Ehre, bei dir in die Lehre zu gehen.«
Minutenlang tat sich nichts. Nawrod und Yalcin nahmen auf zwei an der Wand stehenden und mit rotem Samt beschlagenen Stühlen Platz.
»Dem Pfaffen ist der Arsch echt auf Grundeis gegangen, als du ihm mit einer Anzeige wegen Mordes durch Unterlassen gedroht hast«, unterbrach Yalcin die Stille.
»Hoffentlich hast du recht«, brummte Nawrod.
»Das war nach der Devise alles oder nichts, stimmt’s?«
»Manchmal muss man volles Risiko gehen, um etwas zu erreichen. Diese Pfeife von Generalvikar beschwert sich jetzt bestimmt bei seinem Häuptling, und der wiederum ruft den Innenminister an. Dem Innenminister steht in der Sache aber das Wasser bis zum Hals. Wenn wir den Fall nicht bald aufklären, wird man an seiner Kompetenz zweifeln. Die Opposition sägt wegen des weltweiten Mediendruckes schon gewaltig an seinem Stuhl. Wenn wir Glück haben, wird er den Erzbischof inständig darum bitten, mit uns zu kooperieren und uns die Liste auszuhändigen. Der Bischof wiederum muss abwägen, ob unsere Ermittlungen vielleicht seinem
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