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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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den kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel heraus, hob ihn kurz in die Höhe, sodass alle den Inhalt sehen konnten, und gab ihn dann in einen größeren, vorher bereitgelegten Plastikbeutel, den sie sofort verschloss. Dasselbe tat sie mit dem Zettel, den sie danach aus dem Päckchen holte. Yalcin schluckte trocken.
    »Hey, Jürgen, hab ich richtig gesehen?«, stieß sie heiser hervor. »Das ist ja eine … igitt!«
    »Die Schweine kommen auf immer neue Ideen«, raunzte Nawrod angewidert.
    »Habt ihr auch gecheckt, was sie damit gemacht haben?«, fragte Sabine Bauer nicht weniger erschüttert.
    Die beiden schüttelten den Kopf. Trotz Nawrods vielen Jahre bei der Kripo hatte er so etwas noch nie gesehen. Yalcin erinnerte sich an Fantasy-Romane, in denen vereinzelt davon die Rede gewesen war. Aber dies hier war brutale Wirklichkeit.
    »Na, dann kommt mal näher! Ich zeige es euch.« Bauer machte mit ernster Mine eine einladende Handbewegung. Nawrod schob Yalcin an der Hüfte vor sich her. So konnte er vor den empfindlichen Geruchsnerven der Kriminaltechnikerin einigermaßen sicher sein. Als sich Yalcin zu dem kleinen Plastikbeutel etwas hinunterbeugte, schaute er ihr von hinten über die Schulter. Ein kurzer Blick genügte.
    »Wir müssen diese Ungeheuer fassen!«, stieß er entschlossen hervor. »Das sind gefährliche Psychopathen, die keine Grenzen kennen.«
    Beck, Bauer und Yalcin nickten zustimmend. Sekundenlang sagte keiner ein Wort. Jeder starrte die Zunge an, die an der Spitze gut drei Zentimeter eingeschnitten war und weit auseinanderklaffte.
    »Wie bei einer Schlange«, sagte Yalcin betroffen. »Ich hätte nie gedacht, dass die Zunge eines Menschen so lang ist.«
    »Sie wurde direkt vor der Wurzel abgeschnitten«, erklärte Beck. Unser Opfer wird ab sofort nicht mehr reden können und gewaltige Schluckbeschwerden haben.«
    Sabine Bauer legte sich den dem Paket entnommenen Zettel zurecht und las laut vor: » No vivere faciet impium, sed iudicium pauperibus tribut .« Schockiert sah sie Nawrod an. » Den Frevler lässt er nicht am Leben, doch dem Gebeugten schafft er Recht !«
    Beck atmete tief durch und presste resignierend hervor: »Das heißt, sie werden auch ihr zweites Opfer töten und wir können nichts dagegen tun.«
    »Noch ist nicht aller Tage Abend!«, erwiderte Nawrod kämpferisch. »Wir werden ihnen keine Ruhe mehr lassen. Sie dürfen sich nirgends mehr sicher fühlen!«
    »Hier steht noch ein zweiter Satz«, sagte Bauer und deutete auf den Zettel. » Loquuntur lingua scissa et deum insulant . Der Satz ist leicht zu übersetzen.«
    »Schieß schon los!«, presste Nawrod hervor.
    Sabine Bauer las langsam: » Sie reden mit gespaltener Zunge und beleidigen Gott !«
    »Deshalb das Teil hier.« Nawrod zeigte auf die Zunge. »Das ist sicher wieder so ein versteckter Hinweis auf das Motiv für diese abscheulichen Taten und unterstreicht einmal mehr, dass wir es mit Psychopathen und religiösen Fanatikern zu tun haben. Wir müssen schnellstmöglich herausfinden, mit wem Radecke in seiner Zeit als Priester zusammen war und weshalb er aus dem Priesteramt ausschied. Ich fresse einen Besen, wenn es da keinen Zusammenhang mit diesen Verbrechen hier gibt.«
    »Okay, Jürgen«, sagte Yalcin voller Eifer. »Ich besorge uns schon mal einen schnellen Dienstwagen, während du Wegner über den Inhalt des neuen Paketes Bericht erstattest. Wenn es auf der Autobahn keinen Stau gibt, garantiere ich dir, dass wir uns in zwei Stunden den Freiburger Bischof in seinem Dom höchstpersönlich zur Brust nehmen können.«
    »Münster«, erwiderte Nawrod trocken.
    »Was … wie?«, fragte Yalcin erstaunt.
    »Der Freiburger Dom ist nur ein Münster, kapiert?«, gab Nawrod kurz und bündig zur Antwort.
    Sie verabschiedeten sich von den Kriminaltechnikern. Da war es wieder, dieses Glühen in Sabine Bauers Augen, oder wie man es sonst bezeichnen mochte. Es traf Nawrod mitten ins Zentrum seiner Gefühle. Ein wohliger Schauer lief über seinen Rücken. Er musste unwillkürlich an die Nacht mir ihr denken. Die Kriminaltechnikerin lächelte. Es fiel ihr nicht schwer, seine Gedanken zu erraten.
    Nawrod und Yalcin begaben sich in die Schleuse, wo sie sich hastig die weißen Overalls abstreiften. »Nur zwei Stunden ist maßlos übertrieben. Das schaffen wir nie und nimmer!«, brummte Nawrod mehr zu sich selbst.
    »Natürlich nicht, wenn du am Steuer sitzt und hier noch lange Reden hältst«, grinste Yalcin.
    »Hey, Lady, ich muss noch duschen!

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