Die Sünde
die einzige Muslima bei der Polizei?«
»Keineswegs, Exzellenz. Inzwischen gibt es in Deutschland schon einige Verstärkung aus den Reihen meiner Glaubensrichtung im Kampf gegen das Verbrechen.« Yalcin lächelte so freundlich, wie sie nur konnte.
Nawrod und Yalcin setzten sich. Als Yalcin den Stuhl etwas näher zu Nawrod rücken wollte, stellte sie fest, dass sie das schwere Möbelstück nicht einen Zentimeter bewegen konnte.
Bischof Wieland setzte sich ebenfalls. Während Nawrod sich noch wunderte, wie gut sich Yalcin gegenüber dem hohen Geistlichen artikulieren konnte, begann der Erzbischof zu sprechen. Er hatte den Blick ausschließlich auf Nawrod gerichtet.
»Mein Stellvertreter hat mir berichtet, Sie seien ungehalten darüber, dass wir Ihnen aus Datenschutzgründen eine gewisse Liste vorenthalten, von der Sie glauben, sie könnte Ihnen bei Ihren Ermittlungen weiterhelfen«, begann er in einem äußerst ruhigen und sachlichen Ton.
Nawrod räusperte sich. »Ihre …« Er sah Yalcin fragend an, doch deren Blick ging gerade in die andere Richtung. »Ihre Eminenz müssen entschuldigen, wir haben um die Liste ersucht, weil …«
»Erzbischof Wieland wird mit Exzellenz angesprochen«, unterbrach Gehlert unwirsch. »Wir bitten, dies zu beachten!«
»Oh«, stieß Nawrod verlegen hervor. »Entschuldigen Sie diesen Fauxpas, Exzellenz! Ich wollte …«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, verehrter Herr Nawrod«, unterbrach ihn der Bischof. »Wenn Sie jedoch die Güte hätten, mir noch einmal die Gründe Ihrer ungewöhnlichen Bitte vorzutragen, wäre ich Ihnen überaus verbunden.«
Nawrod versuchte, sich kurz zu fassen und vor allem keine Interna über den Fall preiszugeben. Im Grunde genommen schilderte er die Geschehnisse so, wie sie bereits in aller Breite von den Medien veröffentlicht worden waren. Er schloss damit, dass es für die Rettung Radeckes wahrscheinlich von eminenter Bedeutung sei, wenn man einen Bezug von ihm in den Raum Heidelberg nachvollziehen könnte. Das sei im Moment die heißeste Spur in dem Fall. Den Verdacht gegen Haider und Robert Pfaff verschwieg er.
»Vielen Dank, Herr Nawrod, das genügt mir.« Er schlug eine vor sich liegende Akte auf und entnahm daraus ein Blatt Papier.
»Das hier ist ein Dokument des Collegium Borromaeum.« Erzbischof Wieland deutete auf das Papier.
»Entschuldigen Sie, Exzellenz, was sagten Sie eben?«, fragte Nawrod freundlich.
»Verzeihen Sie, Herr Nawrod. Manchmal vergessen wir, dass es im Gegensatz zu früher nicht mehr viele Menschen gibt, denen alltägliche Begriffe aus der lateinischen Sprache geläufig sind. Collegium Borromaeum ist die Bezeichnung unseres Priesterseminars hier in Freiburg.« Der Erzbischof lächelte dünn. »Ich übergebe Ihnen dieses Dokument zu treuen Händen. Können Sie mir Ihr Ehrenwort geben, dass es nicht an die Presse gelangt?«
»Das versteht sich von selbst, Exzellenz. Wir sind vorerst auch nur an dem Teilnehmer des Priesterseminars interessiert, der aus dem Raum Speyer oder Heidelberg kommen könnte und mit dem Gottwald Radecke offenbar näheren Kontakt hatte.«
Erzbischof Wieland nickte seinem Stellvertreter zu, worauf sich Gehlert, der die ganze Zeit hinter Nawrod stand, in Bewegung setzte, das Papier in Empfang nahm und es anschließend Nawrod aushändigte.
»Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben«, sagte Bischof Wieland dermaßen überfreundlich, dass es schon fast peinlich war. »Wenn ich noch etwas für Sie tun kann, können Sie sich jederzeit wieder an mich wenden.«
Der Innenminister hat also seinen ganzen Einfluss geltend gemacht, dachte Yalcin. Wie Nawrod vermutete, muss ihm die Klärung des Falles sehr am Herzen liegen, sonst würde sich der Erzbischof nicht so zuvorkommend verhalten. Nawrod sah sich das Papier an. Von 1 bis 13 waren Namen und Adressen mit den jeweiligen Telefonnummern vermerkt. Gottwald Radecke aus Bremen war unter Nummer 5 aufgeführt. Hastig überflog Nawrod die anderen Adressen, bis er auf den Städtenamen Speyer stieß.
»Ich hätte da noch eine Frage an Sie, Exzellenz!«
»Und die wäre?«, entgegnete Erzbischof Wieland überrascht.
»Sind Ihnen alle Priester Ihres Bistums persönlich bekannt?«
»Mehr oder weniger schon«, erwiderte der Erzbischof knapp und nicht mehr so freundlich.
»Was heißt das?«
»Es sind zu viele. Sicher gibt es einige, über die ich wenig weiß.«
»Wie verhält es sich mit dem hier auf der Liste stehenden Philipp Otte? Ist der Ihnen
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