Die Sünde
Kollegin auf die Schulter. »Du warst sehr tapfer, Kleine. Alle Achtung.«
Am liebsten hätte Yalcin zurückgeblafft, er solle sie nicht immer Kleine nennen. Aber ihr war einfach nicht danach.
»Hast du gesehen, wie der Assi aus den Latschen gekippt ist?«, lachte Nawrod kurz. »So etwas habe ich noch nie erlebt. Gewöhnlich sind es unsere Frischlinge, die es beim ersten Mal umhaut.«
»Er hatte einen leeren Magen und kam wahrscheinlich in den Unterzucker. Kann vorkommen. Ist mir auch schon passiert.«
»Ja, kann sein. Aber wer weiß, vielleicht gab es auch andere Gründe.«
Im Dezernat 1 arbeitete man schon auf Hochtouren an dem Fall. Eine zweite Mordkommission war wegen Personalmangels allerdings noch nicht zusammengerufen worden. Kurt Wegner delegierte als Dezernatsleiter die verschiedenen Aufgaben, die als Erstes zu erledigen waren. Schnell stellte sich heraus, dass der Tote Jochen Kapp hieß und 29 Jahre alt war. Er war mehrfach wegen Betruges, unerlaubten Waffenbesitzes und Beamtenbeleidigung vorbestraft. Außerdem stand er im Verdacht, vor zwei Jahren in Schwetzingen einen Bankraub begangen zu haben, den man ihm allerdings nicht nachweisen konnte. Der Porsche war geleast und zur Sicherstellung ausgeschrieben, weil Kapp mit den Leasingraten weit im Rückstand war.
Bei der Frühbesprechung am nächsten Morgen trug jeder seine Ermittlungsergebnisse vor. Nawrod kam als Erster dran. Er berichtete von seinen Eindrücken am Tatort, aber vor allem von der Obduktion und Professor Haberers Beurteilung der Enthauptung des Opfers.
Tom Schneider und Stefan Wohlers trugen ihre Ermittlungen aus dem Umfeld des Getöteten vor. Sie berichteten unter anderem, dass Kapps Mutter seit etwa sechs Monaten im Psychiatrischen Landeskrankenhaus Heidelberg Süd untergebracht sei und sein Vater sich angeblich wegen der Eskapaden seines Sohnes schon vor Jahren das Leben genommen habe. Kapp sei ein leidenschaftlicher Zocker gewesen. Seine Vorliebe für teure Kleidung und Uhren sowie Pokerrunden mit hohen Mindesteinsätzen sei in der Szene allgemein bekannt. Nachdem er ein paarmal hohe Gewinne eingefahren habe, hätten ihn seine Gegner durchschaut und ihn in der Folgezeit regelrecht an die Wand gepokert. Bei der letzten Runde habe er sogar seine Rolex verloren.
Sabine Bauer und Walter Beck von der Kriminaltechnik führten aus, dass sie am Fahrzeug unzählige Finger- und andere Spuren gesichert hätten, deren Auswertung mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Ein brauchbares Zwischenergebnis liege noch nicht vor.
»Ist bekannt, ob der Getötete eine Freundin oder irgendwelche Hobbys hatte?«, fragte Nawrod in die Runde.
»Er soll bis vor etwa drei Monaten mit einer Italienerin liiert gewesen sein, deren Namen wir noch nicht in Erfahrung bringen konnten«, antwortete Wohlers. »Nach der Trennung soll er in seiner feudalen Wohnung alleine gelebt haben. Mit der Miete ist er schon Monate im Rückstand. Unser Opfer war ganz offensichtlich ein arbeitsscheuer Zocker, der, wenn er nicht gerade am Pokertisch saß oder kleinere Betrügereien beging, gelegentlich am Neckar angelte und Gott einen guten Mann sein ließ.«
»Dann könnte es sich bei der Tat also um einen Racheakt oder um ein Exempel gehandelt haben, das man statuierte, um säumigen Spielern vor Augen zu halten, was passieren kann, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen?«, fragte Wegner.
»Mir kommt da so eine Idee«, sagte Nawrod. »Wie seid ihr zu der Info gekommen, dass Kapp Angler war?«
»Eine Cousine, die wir ausfindig machen konnten, hat uns das gesteckt. Außerdem fanden wir in Kapps Keller jede Menge teures Angelzeug«, antwortete Schneider. »Und noch etwas«, fuhr er fort. »Die Cousine erzählte, sie habe schon immer den Eindruck gehabt, dass Jochen Kapp irgendetwas mit sich herumträgt. Eine schwere Last, die er nicht abschütteln konnte. Sie habe ihn einmal darauf angesprochen, worauf ihm sofort Tränen in die Augen geschossen seien. Obwohl sie ihn gedrängt habe, habe er sich ihr jedoch nicht offenbart.«
»Dann war er also doch nicht der eiskalte schwere Junge, der Banken überfällt und andere Dinger dreht«, bemerkte Nawrod. »Okay, wenn das vorläufig alles ist, dann würde ich jetzt gerne noch einmal den Tatort aufsuchen«, sagte er zu Wegner.
»Das kannst du vergessen.« Beck winkte ab. »Wir haben da draußen im Umkreis von 30 Metern jedes Blatt umgedreht. Sogar Metalldetektoren haben wir eingesetzt.« Der Kriminaltechniker war sich
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