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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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fraglichen Ärzten hausieren gehen und testen, was sie dazu sagen. Wäre doch gelacht, wenn ich so nicht weiterkäme. Als Einstieg in die Gespräche benutze ich den von Ihnen entdeckten Herzinfarkt. Das fällt nicht auf. Haben Sie eine Detailaufnahme der Vernarbungen des Herzens?«
    Frau Dr.   Westhofs Gesicht erhellte sich. »Selbstverständlich.« Sie holte zwei weitere Aufnahmen hervor, die sie Nawrod übergab. Nawrod sah sich die Fotos aufmerksam an. Selbst für ihn als Laien war unschwer der Teil des Herzgewebes zu erkennen, der durch den Infarkt beschädigt worden war.
    »Das sind wirklich tolle Aufnahmen, Frau Dr.   Westhof. Die lassen keine Wünsche offen.«
    »Freut mich sehr, wenn ich Ihnen damit helfen kann, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Mir würde ein Stein vom Herzen fallen.«
    »Können Sie mir noch verraten, wie viele Ärzte in der Herzklinik beschäftigt sind und wer deren Leiter ist?«
    »Ich schätze, es gibt dort so an die 40 bis 50   Ärzte. Die Zahl ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die Klinik ist in vier selbstständige Abteilungen gegliedert.«
    »Und die wären?« Nawrod zückte sein kleines Notizbuch und schrieb mit.
    »Die innere Medizin, dazu zählt die Kardiologie, die Angiologie und die Pneumologie. Die zweite Abteilung ist die Herzchirurgie, innerhalb derer natürlich auch Transplantationen vorgenommen werden. Dann gibt es noch die Pädiatrische Kardiologie, in der fast ausschließlich angeborene Herzfehler behandelt werden. Schließlich gibt es noch die Abteilung für Herz- und Kreislaufphysiologie. Jede dieser Abteilungen hat einen eigenen Leiter. Inoffiziell ist der oberste Herrscher jedoch Professor Günter Knaus. Ein in die Jahre gekommener Patriarch. Seine Operationen sind legendär, und immer noch überrascht er gelegentlich die Kolleginnen und Kollegen mit spektakulären Methoden, Patienten erfolgreich zu operieren. Was eine Täterschaft anbelangt, ist er aber meines Erachtens über jeden Zweifel erhaben.«
    »Sie meinen also, ich soll mich zuerst an ihn wenden?«
    »Ohne ihn werden Sie im Herzzentrum auf Granit beißen. Wenn Sie Knaus nicht auf Ihre Seite bringen, können Sie sich dort Ihre Ermittlungen sparen. Und noch eines: Sie müssen sich von seiner Sekretärin einen Termin geben lassen. Falls Sie ihn mit Ihrem Besuch überraschen wollen, haben Sie gleich verloren. Der Mann ist viel beschäftigt und kann es nicht ausstehen, wenn ihn jemand unangemeldet bei der Arbeit stört.«
    Nawrod streckte der Rechtsmedizinerin die Hand entgegen. »Vielen Dank, Frau Dr.   Westhof. Sie haben uns sehr geholfen.«
    »Gerne«, antwortete die Rechtsmedizinerin in einem derart sanften Ton, dass Nawrod trotz der gelben Zähne, die ihn anlächelten, wieder an eine wunderschöne Fee denken musste.
    19
    Die Einrichtung des kleinen Appartements konnte die Herkunft der Mieterin nicht verschweigen. Nawrod fand alles einen Tick zu bunt und nahe an der Grenze zum Kitschigen. Sein Blick fiel sofort auf eine etwa einen Quadratmeter große rote Fahne mit Halbmond, die an der Wand hing. Darunter prangte in einem goldfarbenen Rahmen ein Porträt Atatürks. Am rechten oberen Eck des Bildes hing eine Gebetskette. Über einem kleinen Sideboard an der gegenüberliegenden Wand sah Nawrod zwei eingerahmte Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen jeweils eine alte Frau und ein mindestens ebenso alter Mann abgebildet waren. Der Mann trug einen kräftigen, grauen Schnurrbart, dessen Enden spitz zuliefen und seitlich über die Wangen hinausragten. Unter den Fotos stand eine kleine Blumenvase mit weißen Rosen. Das müssen ihre Großeltern sein, dachte Nawrod.
    Auf dem Fußboden lagen drei verschieden große Brücken, deren türkische Herkunft man ohne spezielle Kenntnisse erkannte. Die wenigen Möbel waren allesamt aus dunklem Holz und leicht verschnörkelt. Unter dem einzigen Fenster stand ein kleiner Schreibtisch und davor ein Holzstuhl mit gepolsterter Sitzfläche. Das Bettzeug auf der ausgeklappten Couch war ungeordnet. Eine hastig zusammengefaltete Tagesdecke lag rechts daneben.
    Vor der kleinen Küchenzeile befand sich eine Theke mit zwei Hockern, die darauf hindeuteten, dass in dieser Wohnung beim Essen kein besonderer Wert auf Gemütlichkeit gelegt wurde.
    »Mach es dir bequem. Bin gleich wieder da.« Yalcin öffnete eine Tür und verschwand dahinter. Kurze Zeit später hörte Nawrod die Toilettenspülung und gleich darauf das typische Duschgeräusch.
    Es waren nicht einmal fünf Minuten vergangen,

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