Die Sünde
nickte. »Ich denke, du brauchst bei Jürgen keine Angst zu haben. Der hält im Ernstfall dicht. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Also gut!« Die Gerichtsmedizinerin atmete tief durch. »Es darf aber auf keinen Fall in den Akten erscheinen!«
»Großes Indianerehrenwort«, versprach Nawrod.
»Unser Opfer ist eindeutig baltischer Herkunft, sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits.« Frau Dr. Westhofs Stimme war merklich leiser geworden. »Die Struktur seiner DNA ist in Rumänien sehr weit verbreitet. Es gibt da noch kleinere Unsicherheitsfaktoren, die leider mit den derzeit bekannten Methoden nicht ausgeräumt werden können. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr hoch, dass der Mann rumänischer Abstammung ist und schwarze Haare hatte.«
»Sie meinen, unser Opfer ist definitiv ein Ausländer?« Nawrod runzelte die Stirn.
»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete die Rechtsmedizinerin. »Er ist höchstwahrscheinlich rumänischer Abstammung. Doch er oder seine Eltern können schon Jahrzehnte in Deutschland leben. Genau genommen könnten die Vorfahren des Mannes schon vor hundert Jahren eingewandert sein.«
»Das bringt uns nicht viel weiter«, brummte Nawrod enttäuscht. »Trotzdem, herzlichen Dank für diese Information. Wer weiß, welche Bedeutung sie noch bekommen wird.«
»Gibt es sonst noch etwas zu erwähnen?«, fragte Sabine Bauer nachdenklich. »Hast du an den Körperteilen, die ich dir gebracht habe, irgendwelche Auffälligkeiten entdeckt?«
Barbara Westhof hob die Schultern. »Das Opfer hat keine morphinhaltigen Schmerzmittel verabreicht bekommen. Ich habe jedenfalls weder im Blut noch im Gewebe Derartiges gefunden.«
»Und was heißt das?«, fragte Nawrod trocken.
»Das heißt, dass der Mann, vor allem nach Entnahme seines rechten Auges, aber auch schon davor, qualvolle, nicht zu beschreibende Schmerzen aushalten musste. Der Täter ist ein Sadist, der sich an den Qualen seines Opfers weidet. Er muss den armen Kerl auf einem Tisch oder Ähnlichem so festgezurrt haben, dass er sich absolut nicht mehr bewegen konnte. Nicht einmal seinen Kopf. Danach, so vermute ich, hat er bei vollem Bewusstsein die Verstümmelungen vorgenommen und schließlich auch den Mord begangen.«
Nawrod und Bauer sahen sich entsetzt an. »Das ist ja furchtbar«, stieß die Kriminaltechnikerin hervor.
»So ein Schwein!«, brummte Nawrod.
Dr. Westhof wandte sich Sabine Bauer zu. »Und wenn du mich nach Auffälligkeiten an den Körperteilen fragst, kann ich nur wiederholen, dass der Täter sein Handwerk versteht. Den Schnittstellen nach zu urteilen, besitzt der Mörder ganz offensichtlich fundierte chirurgische Kenntnisse. Die Länge des Fingers lässt den Schluss zu, dass das Opfer nicht besonders groß war. Außerdem habe ich in seiner linken Herzkammer Spuren eines länger zurückliegenden Infarktes festgestellt. Aufgrund seiner Ausprägung kann das aber auch ein sogenannter stiller Infarkt gewesen sein.«
Sabine Bauer hob die Augenbrauen. »Wie muss ich das verstehen?«
»Das Opfer muss deswegen nicht unbedingt in ärztlicher Behandlung gewesen sein. Und schon gar nicht in einer Klinik«, antwortete Barbara Westhof.
»Ähnlich sieht es mit dem Auge aus, das ihr mir gebracht habt. Der Mann war vermutlich Brillenträger. Er war kurzsichtig. Das konnte ich anhand der Krümmung seiner Hornhaut feststellen. Vielleicht war er deswegen bei einem Augenarzt in Behandlung, vielleicht auch nicht. Viele Leute gehen heutzutage nur zum Optiker, weil sie für eine Brille von der Krankenkasse eh keinen Cent mehr erstattet bekommen. Andere kaufen ihre Brille für drei Euro im Supermarkt.«
»Hm, ist das wirklich alles?«, fragte Nawrod.
»Da gibt es noch etwas.« Die Rechtsmedizinerin suchte nach Worten. »Es muss aber nicht unbedingt von Bedeutung sein.« Sie sah auf den Boden. Ihre Hände vergruben sich tief in den Taschen des weißen Arztkittels. »Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt erwähnen soll. Ich könnte damit voll daneben liegen.«
»Das müssen wir beim jetzigen Stand der Dinge riskieren«, antwortete Nawrod entschlossen.
»Jürgen hat recht! Wir müssen jeder noch so kleinen Spur, jedem winzigen Hinweis nachgehen. Also, Barbara, was ist dir noch aufgefallen?«
»Wie gesagt, es ist eigentlich …« Dr. Westhof zögerte.
»Rück schon raus, was ist es?« Sabine Bauers Stimme klang schroff.
»Die Schnittstellen der oberen und unteren Hohlvene des Herzens verlaufen schräg. Sie sind, wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher