Die Sünde
war, aber die Mutter glaubt ihm nicht. Sie riecht wieder schlecht und lallt beim Sprechen. Er isst still sein Abendbrot und geht anschließend zu Bett.
»Lieber Gott, erlöse mich von dem Übel und von den bösen Werken des Satans«, betet er und weint leise. »Erlöse auch die Pfarrer und befreie sie von ihren Sünden, damit wir befreit werden.«
Nachts träumt er wieder schlimme Sachen und wacht dabei zweimal auf. Er hat Angst, die Augen zu schließen, weil ihn dann der Satan heimsucht und er wieder Pipi ins Bett macht. Aber er ist müde.
Am nächsten Morgen weckt ihn die Mutter. Sie hat seine weiße Unterhose in den Händen. »Was ist das? Wo kommt das her?«, fragt sie. Er sieht den großen Blutfleck auf seiner Unterhose und weiß nicht, was er sagen soll.
Die Mutter schreit: »Wo kommt das her?«
Angst und Starre machen sich in ihm breit und der Satan hat ihm abermals die Stimme gestohlen. Die Mutter wird böse. Sie schlägt die Bettdecke zurück und dreht ihn mit einem kräftigen Ruck auf den Bauch. Dann reißt sie ihm die Schlafanzughose runter. Er wehrt sich nicht. Er hat sich nie gewehrt. Jetzt auch seine Mutter, denkt er, als sie ihm die Pobacken öffnet. Aber sie tut ihm nicht weh wie die anderen, sondern zieht seine Hose hoch und deckt ihn behutsam zu. Sie streichelt über seine Haare und verlässt das Zimmer. Er hört, wie sie aus dem Kühlschrank eine Flasche nimmt. Sie weint. Ganz still bleibt er liegen. Wenn er sich nur unsichtbar machen könnte. Für ewig unsichtbar. Immer noch müde, schläft er ein. Als er aufwacht, sieht er seine Mutter. Sie schläft auf dem Fußboden des Wohnzimmers. Eine Flasche liegt neben ihr, leer. Er geht nicht zur Schule.
Tage später nimmt ihn seine Mutter bei der Hand und bringt ihn zur Polizei. Er versteht nicht viel von dem, was gesagt wird. Der ältere Polizist führt das Wort. Der jüngere sitzt da und hört zu. Es wird von Beweisen gesprochen und es werden ihm Fragen gestellt, die er nicht richtig versteht und die er nicht beantworten kann, weil ihm der Satan die Sprache gestohlen hat.
Nach ein paar Tagen kommen zwei Frauen und bringen ihn in ein Heim. Seine Mutter sieht er nicht mehr. Bald erfährt er, dass der Satan sie geholt hat. Es muss der Satan gewesen sein, denn das hatte der Herr Pfarrer so vorausgesagt.
22
Er spürte, wie das Wohnmobil immer langsamer wurde. Dann stand es still. Der elektrische Fensterheber summte leise. Noch einmal hob er kurz den Kopf. Radecke schlief fest. Das Erbrochene stank fürchterlich. Der Whisky tat ein Übriges.
»Guten Tag, der Herr! Personen- und Fahrzeugkontrolle«, sagte eine Bassstimme. Ihm wurde siedend heiß. Sein Pulsschlag schnellte in die Höhe. Wie sollte er sich schlafend stellen, wenn sein Atem immer heftiger wurde?
»Ihre Papiere bitte!«
Es waren gute Fälschungen. Sie hatten auch viel Geld dafür bezahlt. Aber waren sie tatsächlich so gut, dass sie einer polizeilichen Kontrolle standhielten? Der andere öffnete das Handschuhfach. Eine Ewigkeit verging. Gleich fliegt die Sache auf, schoss es ihm durch den Kopf.
»Sind noch weitere Personen im Fahrzeug?«, fragte die Bassstimme.
»Zwei Kumpels, aber die … die sind …«
»Steigen Sie bitte aus und öffnen Sie die Seitentür!«, befahl eine andere Stimme.
Obwohl er damit gerechnet hatte, zuckte er zusammen, als die Tür aufgerissen wurde. In Seitenlage, den Polizisten den Rücken zugewandt, wartete er. Er zitterte. Schweiß rann ihm aus allen Poren. Kontrolliertes Atmen fiel ihm schwer. Er verspürte einen leichten Stoß am Gesäß. Am liebsten hätte er das Überraschungsmoment ausgenutzt, wäre aufgesprungen und einfach davongerannt.
»He, aufwachen, Polizeikontrolle!«
Jetzt kam es darauf an. Ein Fehler, und man würde sie sofort verhaften. Er stöhnte laut und drehte sich langsam um. Als ob ihn das helle Licht blenden würde, hob er die Hand vor sein Gesicht und stöhnte weiter.
»Igitt, da stinkt es ja fürchterlich!«, brummte die Bassstimme. Der Polizist stand jetzt direkt über ihm. »Der eine ist total besoffen und der andere schläft«, rief er nach draußen.
»Notier dir die Personalien und komm heraus«, war die Antwort.
Wieder spürte er einen leichten Stoß am Gesäß. »Den Ausweis bitte!«
»Muss das sein?«, erwiderte er lallend und hoffte inständig, dass er glaubhaft wirkte.
»Ja, das muss sein. Und den von Ihrem Kumpel hier auch!«
Er rappelte sich stark schwankend auf, holte aus der Gesäßtasche die Geldbörse und
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