Die Sünde
zog den gefälschten Personalausweis heraus. Der Polizist machte sich Notizen und gab den Ausweis zurück. Anschließend tippte er Radecke an.
»Entschuldigung, Herr Wachtmeister, mein Kumpel ist hackedicht und total weggetreten. Darf ich Ihnen vielleicht behilflich sein«, lallte er schwankend und entnahm aus Radeckes Jacke dessen Geldbörse, die er, kaum in seiner Hand, mitten in den gelblichbraunen Brei fallen ließ.
»Ups, Verzeihung Herr Wachtmeister. Ist mir ausgerutscht. Tut mir leid. Wenn Sie sich jetzt doch selbst bedienen könnten?«, lallte er und zeigte mit kreisendem Zeigefinger auf das Portemonnaie. Der Polizist drehte sich angewidert um und verließ den Innenraum des Wohnmobils.
»Wir lassen den Fahrer blasen«, rief er seinem Kollegen zu. »Die waren bestimmt auf einer Feier.«
»Lass gut sein!«, kam die Antwort. »Wir suchen zwei Bankräuber und keine Alkoholsünder. Wenn du ihre Personalien hast, winken wir sie durch. Beeil dich, der Stau wird immer größer!«
»Na, meinetwegen«, antwortete der andere und zog die Schiebetür des Wohnmobils zu.
»Das hast du super gemacht«, rief der Fahrer nach hinten und trat aufs Gaspedal.
»Es war verdammt knapp«, erwiderte der andere. »Um ein Haar wären wir aufgeflogen.«
»Mach dir mal nicht ins Hemd, Junge! Unsere Papiere sind erstklassig. Die Bullen haben nicht den geringsten Verdacht geschöpft. Die Idee mit der Kotze und dem Whisky war absolute Spitze. Ich hätte brüllen können, als du die Nummer mit der Geldbörse abgezogen hast.« Der Fahrer lachte herzhaft.
»Mir ist überhaupt nicht zum Lachen«, entgegnete der andere. Wenn ich das hier sehe. Ich meine die Kotze …«
»Mach dir mal keine Sorgen. So etwas habe ich früher fast jeden Tag erlebt. Mir macht die Sauerei nichts aus. Ich mach das schon sauber. Sobald wir zu Hause sind und Radecke in die Zelle gebracht haben, nehm ich mir die Karre vor und bringe sie anschließend zum Mietwagencenter.«
23
Yalcin hatte mit dem Namen Ansgar Haider nicht nur die polizeilichen Dateien durchforstet, sondern mit dessen Personalien auch gegoogelt und umfangreiche Informationen erhalten. Auf seiner Homepage rühmte sich Haider aller möglicher Heldentaten in seiner Karriere als Reporter. Unter anderem damit, dass er sehr gute medizinische Kenntnisse habe, dank derer er vor vier Jahren einen Ärzteskandal habe aufdecken können, bei dem es im großen Stil um Betrug mit künstlichen Implantaten im Bereich der Herzchirurgie gegangen sei. Die Implantate seien von China eingeführt und mit dem Logo einer renommierten deutschen Firma versehen worden. Nachdem einige Patienten unter mysteriösen Umständen verstorben seien, sei er der Sache nachgegangen und habe den Schwindel letztlich auffliegen lassen, während die Polizei nahezu untätig geblieben sei und ihre Ermittlungen vermutlich deshalb bis ins Unendliche verzögert habe, weil hochrangige Ärzte und Professoren der Universitätsklinik Heidelberg in die Betrugsgeschäfte involviert gewesen seien.
»Und, ist Haider unser Mann oder nicht?«, fragte Yalcin gespannt, nachdem es Nawrod beim Lesen fast den Atem verschlagen hatte.
»Er ist auf jeden Fall heiß, heißer geht’s nicht mehr«, antwortete Nawrod, während er weiterscrollte. »Du sagtest, er sei wegen schwerer Gewaltdelikte vorbestraft. Weißt du schon Näheres?«
»Wie es aussieht, hat er als junger Kriegsberichterstatter im Kosovo mit anderen Reportern zusammen einen Einheimischen fast zu Tode geprügelt. Außerdem hat er mehrere Einträge wegen Urheberrechtsverletzungen, Hausfriedensbruch, einfacher Körperverletzung, Verletzung der Unterhaltspflicht und einiges mehr.«
»Ein tolles Früchtchen, dieser Haider.« Nawrod überlegte angestrengt. »Hm, wenn er keinen Unterhalt mehr zahlen kann, ist er wohl abgebrannt. Das könnte das Motiv dafür sein, dass der Mann im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht, um finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Gute Arbeit, Nesrin.«
»Danke«, sagte sie stolz. »Obwohl ich hundemüde war, konnte ich kaum einschlafen, nachdem mir heute Nacht dieselben Gedanken kamen. Unfassbar, dass bei so etwas der Chefredakteur einer angesehenen Tageszeitung mitmacht. Der ist im Gegensatz zu Haider polizeilich ein unbeschriebenes Blatt. Anscheinend ist er in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat nach einem Schlaganfall seines Alten dessen Stelle in der Redaktion geerbt. Nach allem, was ich herausbekommen konnte, ist er ein smarter Bursche.
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