Die Sünde
über das Kinn.
»Bist du sicher?«
»Und wie!«
»Hätte mich auch gewundert. Habe ihn erst vorgestern getestet.«
»Du hast was?«
»Bei mir schnitt er einwandfrei«, prustete Yalcin los.
»Hör mal, wenn du irgendjemandem einen Ton sagst, bringe ich dich eigenhändig um! Ist das klar?« In Nawrods Gesicht hielt sich die Ernsthaftigkeit exakt drei Sekunden. Dann begann er ebenso herzhaft zu lachen wie seine junge Kollegin.
Zwanzig Minuten später waren sie im Präsidium. Sie kamen getrennt und etwas zeitversetzt, damit niemand Verdacht schöpfen konnte. Kurz darauf fanden sich alle Mitglieder der Soko »Päckchen« zur täglichen Frühbesprechung ein. Mit bitterernster Miene verkündete Wegner die spärlichen Ermittlungsergebnisse, die keinerlei Schlüsse zuließen und schon gar keine konkreten Hinweise auf Täter oder Opfer enthielten. Anschließend führten einige Soko-Mitglieder detailliert aus, wie ihre Ermittlungen vorangingen. Sie berichteten, dass sie Altfälle sowie die neuen Vermisstenfälle gründlich unter die Lupe genommen hätten. Dabei seien sie keinen Schritt weitergekommen.
Nawrod hatte den Eindruck, dass wirklich alle ihr Bestes gaben und ein riesiger Aufwand an Maßnahmen betrieben wurde. Er und Yalcin schauten sich mehrmals vielsagend an. Es brannte ihnen unter den Nägeln, doch sie hatten vereinbart, das Ende der Frühbesprechung abzuwarten. Erst dann wollte Nawrod seinen dienstlichen PC hochfahren und Wegner das vermeintliche Überraschungsei präsentieren.
Endlich war es so weit. Er war sehr gespannt, wie Yalcin die E-Mail getürkt hatte.
»Sehr geehrter Herr Kriminalhauptkommissar Nawrod, im Anhang übersende ich Ihnen einige wichtige Informationen bezüglich eines Mannes, der verstümmelt und ermordet wurde. Ich hoffe, Ihnen hiermit gedient zu haben.«
Yalcin hatte kein Pseudonym verwendet, das irgendwelche Rückschlüsse zuließ. Als Absender war eine nichtssagende Zahlen- und Buchstabenkombination zu lesen. Nawrod gab die Druckbefehle in seinen PC ein und ging anschließend mit den E-Mails schnurstracks zu Wegner.
»Soeben auf meinem Rechner gelandet.« Mit diesen Worten klatschte er dem Soko-Leiter die fünf Ausdrucke auf den Schreibtisch.
Wegner schaute Nawrod überrascht an. Dann nahm er die losen Blätter in die Hand und überflog sie. Der Soko-Leiter wäre Nawrod am liebsten um den Hals gefallen.
»Endlich eine heiße Spur!«, rief er überglücklich. »Sie hatten recht: Die Heidelberger Allgemeine ist der Schlüssel zur Lösung des Falles.« Doch dann runzelte er die Stirn. »Allerdings frage ich mich, wer Ihnen das geschickt hat. Warum ausgerechnet Sie? Sie haben die Päckchen bekommen und jetzt das hier. Das muss doch einen Grund haben. Was meinen Sie, Herr Kollege?« Der Soko-Leiter schaute Nawrod prüfend an.
»Darüber zerbreche ich mir den Kopf, seit es den Fall gibt. Ich habe wirklich keine Ahnung, Herr Wegner. Doch ich bin sicher, dass wir den Kerl schnappen, und dann wird er es uns sagen, verlassen Sie sich darauf.« Obwohl Nawrod nur teilweise die Wahrheit sagte und innerlich schmunzelte, schwang in seiner Stimme ein derart fester Wille, dass Wegner sich zufriedengab. Er nahm noch einmal die E-Mail in die Hand, in der fast eins zu eins der Artikel stand, der einen Tag nach Eintreffen des Herz-Paketes in allen großen deutschen und vielen ausländischen Zeitungen erschienen war. Natürlich hatten die Gazetten den Text noch etwas ausgeschmückt, aber die Kernaussage hatten sie nicht verändert.
»Wie sollen wir vorgehen?«, fragte Nawrod, der bereits einen Plan hatte, aber dem Leiter der Soko nicht vorgreifen wollte. Wegner war der Boss im Ring, und Nawrod wollte ihm diese Stellung nicht streitig machen.
»Ich werde sofort den Staatsanwalt über die neue Sachlage informieren. Beantragen Sie eine Rund-um-die-Uhr-Observation der beiden Tatverdächtigen. Unsere Staatsanwälte legen in solchen Fällen Wert auf eine stichhaltige Begründung und vor allem auf eine Formulierung, die sie direkt übernehmen können. Ich stelle Ihnen Kriminaloberkommissar Hauk zur Seite. Der hat ein Händchen dafür und weiß genau, wie es die Heidelberger Staatsanwälte und Richter haben wollen. Außerdem müssen wir Anträge für eine komplette Telekommunikationsüberwachung sowie für die Durchsuchungen aller Wohn- und Geschäftsräume der Tatverdächtigen vorlegen. Vergessen Sie bitte nicht, dass wir auch die Fahrzeuge durchsuchen müssen. Ich werde später die Einsatzpläne für
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