Die Sünde
es weder von Haider noch von Pfaff irgendetwas Nennenswertes zu berichten gebe. Haider habe gestern Abend um 21 : 43 Uhr seine Wohnung verlassen. Er sei auf direktem Weg in den Fresh Gay gegangen, wo er sich fast drei Stunden lang aufgehalten habe. Mit wem er dort Kontakt gehabt hatte, konnten die observierenden Beamten nicht sagen, da in dem Lokal ausschließlich Schwule und Lesben verkehrten. Trotz Zivilkleidung wären sie als Polizisten keine drei Sekunden nach ihrem Eintritt aufgefallen wie ein Raddampfer auf der Autobahn. Aus diesem Grund sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als vor dem Lokal Posten zu beziehen und auf Haider zu warten. Die Zielperson sei noch ein wenig durch die Straßen geschlendert. Um 1 : 37 Uhr sei sie zu ihrer Wohnung zurückgekehrt. Seitdem habe Haider das Haus nicht mehr verlassen.
Pfaff sei bis spätabends in der Redaktion gewesen und danach nach Hause gefahren. Am heutigen Morgen sei er um 8 : 30 Uhr wieder zur Arbeit gefahren, wo er sich noch immer aufhalte.
Die Beamten, die für die Telekommunikationsüberwachung eingeteilt waren, hatten Wegner zuvor berichtet, dass bislang keine Telefonanrufe oder Mailkontakte zwischen den beiden Tatverdächtigen stattgefunden hätten. Pfaff habe von seinem Büro aus zahlreiche Telefonate geführt. Dabei habe sich nicht der geringste Hinweis auf eine Tatbeteiligung von ihm ergeben.
Nachdem Wegner, Nawrod und Yalcin die neuesten Erkenntnisse ausgetauscht hatten, berieten sie, was als Nächstes zu tun sei. Den Vorschlag Nawrods, über eine konzertierte Öffentlichkeitsfahndung dem Täter oder den Tätern Druck zu machen, fand Wegner sehr gut.
»Ich werde sofort unseren Pressereferenten beauftragen, alles Nötige in die Wege zu leiten«, brummte er entschlossen.
Nawrod rieb sich zufrieden die Hände. »Wenn Pfaff bei den Verbrechen mitgemacht hat, um daraus Kapital zu schlagen, werden wir ihm von jetzt an die Suppe gründlich versalzen. Er wird nicht mehr der Erste sein, der das Exklusivrecht an der Story hat. Wir werden ihm zuvorkommen und vor allem den Medien mehr bieten, als er geboten hat. Durch Fernsehen, Rundfunk und Zeitungsartikel müssen wir nicht nur alle Postbeamten, sondern die Bevölkerung des ganzen Landes sensibilisieren. Keine der beiden Frauen darf mehr unerkannt ein Päckchen aufgeben.«
»Wissen Sie schon, ob es im Umfeld von Haider Frauen gibt, auf die die Beschreibungen passen?«, fragte Wegner Nawrod.
»Schenkt man seiner Ex-Frau Glauben, hat sie kaum noch Kontakt zu ihm. Allerdings ist ihre Aussage mit Vorsicht zu genießen. Sie geht im Lido der Prostitution nach.«
»Ich glaube ihr«, mischte sich Yalcin ein. »Und außerdem hat sie mit der Jüngeren auf dem Phantombild nicht die geringste Ähnlichkeit.«
»Okay, nehmen wir an, Tina Haider hat die Wahrheit gesagt. Dann ist sie schon mal aus dem Schneider«, erwiderte Nawrod. »Sie hat uns erzählt, ihr Ex habe noch eine kränkliche Mutter und eine Schwester, von der sie jedoch nicht weiß, wo sie wohnt. Das könnten durchaus die beiden Phantomfrauen sein.«
»Ich werde nach unserer Besprechung sofort beim Standesamt nachfragen, wie viele Mitglieder die Familie Haider hat und wie deren Namen lauten«, sagte Yalcin. »Dann werde ich sehr bald wissen, wo sie wohnen und wie sie aussehen.«
»Selbst wenn die Mutter und Schwester von Haider mit den Frauen auf den Phantombildern Ähnlichkeit haben, sollten wir abwarten, bis wir durch die Observation und Telekommunikationsüberwachung genügend Beweise gesammelt haben«, gab Wegner zu bedenken.
»Wenn Haider unser Mann ist, muss er mit seinen Botinnen Kontakt aufgenommen haben«, antwortete Nawrod. »Wir können SMS und E-Mails sowie die ganzen Telefonverbindungsdaten zurückverfolgen.«
»Da sind die Kollegen von der TKÜ schon dran«, erwiderte Wegner. »Sobald sie ein brauchbares Ergebnis haben, werde ich informiert.«
»Wir dürfen diesen Doktor Karmann nicht aus den Augen lassen.« In Nawrods Augen spiegelte sich jener Biss wider, der ihn einmal zum erfolgreichsten Rauschgiftfahnder Baden-Württembergs gemacht hatte. »Zwischen ihm und Haider gibt es eine Verbindung. Wegen Haiders Recherchen flogen die Machenschaften des Arztes auf.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Wegner, der einen Berg von Arbeit auf die Soko zukommen sah.
»Wir müssen herausfinden, wo und wie er lebt. Welches Umfeld umgibt ihn, wie sind seine derzeitigen familiären und finanziellen Verhältnisse? Der Kollege
Weitere Kostenlose Bücher