Die Sünden der Gerechten - Rankin, I: Sünden der Gerechten - The Impossible Dead
ihm.
Jude schlief im Sitzen auf dem Stuhl. Die Schwester sagte, sie habe sich nicht von der Stelle gerührt.
» Wir haben ihr gesagt, sie soll sich die Beine vertreten, aber sie wollte nicht. Ich hab ihr Tee und Kekse gebracht, aber sie hat beides stehen lassen. «
Sie standen vor der Schwesternstation und sprachen mit leisen Stimmen. Fast alle Patienten schliefen. » Ist Dad nicht aufgewacht? « , fragte Fox.
» Noch nicht. «
» Was ist mit der Computertomografie? «
» Die Abteilung ist ein bisschen überlaufen. Er kommt morgen dran. «
» Wofür ist die Infusion? « Fox nickte in Richtung des Schlauchs, der zum Arm seines Vaters führte.
» Wir müssen seinen Flüssigkeitshaushalt regulieren « , erklärte die Schwester. » Möchten Sie Ihre Schwester wecken, oder soll ich das machen? «
Fox war bei seiner Ankunft darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass für seinen Vater jetzt ein Bett in einem Stationszimmer bereitstand. Sanitäter würden kommen und das Bett an seinen neuen Platz schieben.
» Ich mach das « , sagte er. Er stellte sich hinter Jude und legte ihr eine Hand in den Nacken. Ihre Haut war kühl. Sie atmete ein, zuckte und wurde mit einem Ruck wach, stöhnte gequält auf.
» Sie bringen ihn jetzt auf die Station « , erklärte Fox. » Bis morgen können wir nichts tun. Ich fahr dich nach Hause. «
» Ich komm schon klar. « Schläfrig strich sie sich die Haare aus den Augen. » Es gibt Busse, und draußen ist ein Taxistand. «
» Würde sehr viel schneller gehen, wenn ich dich fahre. « Er hielt inne. » Bitte, Jude. «
Sie blickte ihn an und sah etwas in seinen Augen. Aus irgendeinem Grund musste er ihr diesen Gefallen tun. Sie nickte kaum merklich zum Zeichen, dass sie einverstanden war, gerade in dem Moment, als die Pfleger kamen, um den Patienten zu holen.
Die Krankenschwester gab Fox und Jude die Angaben zur neuen Station und eine Telefonnummer. Fox bedankte sich bei ihr und ging mit Jude den Gang zurück zum Anmeldeschalter der Notaufnahme. Fox erkannte keinen der Wartenden. Die Tür ging auf, und Jude sog kalte Nachtluft in ihre Lunge.
» Besser? « , fragte er. Sie gab einen gleichgültigen Laut von sich und folgte ihm zu seinem Wagen.
Während der Fahrt sagten sie nicht viel. Fox dachte an das Haus in Stirling, an Chief Constable Pears und ihren Politikerbruder. Und an den Mann mit dem Geld, der darauf aufpasste, dass alle bekamen, was sie brauchten.
Fox fragte sich, ob er hatte, was er brauchte. Es dauerte eine Weile, bis er merkte, dass Jude weinte. Er versicherte ihr, dass alles wieder gut werden würde.
» Was, wenn nicht? «
Dann nicht.
Aber stattdessen sagte er: » Doch, das wird es. «
Er setzte sie vor ihrem Reihenhaus ab und sagte, sie solle ihrer Nachbarin Bescheid geben.
» Ich mach’s für dich, wenn du willst « , bot er an.
Aber Jude schüttelte den Kopf. » Ich geh einfach ins Bett « , erwiderte sie. » Muss mich mal hinlegen. «
Fox konnte nur nicken. » Ich hol dich morgen ab – dann fahren wir zusammen zu ihm. «
» Reiß dir wegen mir bloß kein Bein aus. «
» Jude, lass das. «
Sie rieb sich die Augen. » Also um wie viel Uhr? «
» Ich ruf dich an. «
» Könnte ja was dazwischenkommen. «
» Das werde ich schon verhindern. «
» Hat dich heute Abend ja auch von nichts abgehalten, oder? « Sie musterte sein Gesicht und seufzte. » In Ordnung « , lenkte sie ein. » Bis morgen. « Sie schlug die Beifahrertür zu und ging den Weg zu ihrem Haus mit dem vorhanglosen Wohnzimmerfenster und dem ungepflegten Garten. Fox erinnerte sich an ein Versprechen, das er ihr vor drei oder vier Monaten gegeben hatte – Ich helf dir, ihn in Ordnung zu bringen; wird nur zwei Stunden dauern. Zwei Stunden, die er bislang nicht gefunden hatte. Jude sah nicht noch mal über die Schulter zum Wagen, drehte sich auch nicht um oder winkte. Kaum war sie im Haus
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