Die Suenden der Vergangenheit
musste es dann für eine Frau sein, der wissentlich ihr Erbe vorenthalten wurde und die man ohne jedes schlechte Gewissen verhungern ließ? Um Gloria herum gab es so viel zu essen, doch nichts, was sie jemals wieder satt machen würde, wenn sie die rettende Umwandlung verweigerte und das Blut nicht trank, das ihren Magen füllte und ihrem Körper das Leben in einer verbesserten Version zurück gab. Und sie wusste nicht einmal, was ihr fehlte. Das war das Grausamste überhaupt.
Urplötzlich bekam er den Gedanken mit, den Nico bezüglich Glorias Erfahrungen hegte. Er unterbrach die Umarmung, umfasste sie an den Schultern und zwang sie dazu, in seine erneut glühenden Augen zu sehen. Es war ihm egal, wie zerbrechlich sie gerade aussah und wie sehr sie mit der Breed zu leiden gedachte. Es konnte nicht angehen, deren Rettung zu unternehmen, in dem man das durchleiden wollte, was Gloria gerade widerfuhr.
„Untersteh dich, Sophora. Wenn du hungrig bist, kommst du zu mir. Sobald du auch nur die kleinste Regung verspürst.“
Damon bedachte sie mit einem sehr strengen Blick, den man von ihm eigentlich nicht kannte. Es ging hier nicht darum, seine Männlichkeit durchzusetzen und ihr Vorschriften zu machen, sondern um ihre Gesundheit und um ihre richtige Entwicklung, die in der Anfangszeit besonders wichtig war, damit sich ihre Fähigkeiten nicht gegen sie auswirkten.
„Denk an das, was in dir steckt. Deine Kräfte müssen sich entfalten. Du bist im ersten Jahr deines neuen Seins, Nicolasa. du kannst dir in dieser Zeit keine Enthaltsamkeit erlauben, ohne vielleicht ernsthaften Schaden davon zutragen. Ich verstehe, dass Gloria dir leid tut, aber du hilfst ihr nicht, indem du ihre Schwäche zu deiner machst.“
Wenn sie schon nicht auf ihn hören wollte, dann würde Cat sicher ein Machtwort sprechen, sobald sie auch nur einen Hinweis darauf hatte, dass sich Nico nicht mehr entsprechend zu versorgen gedachte. Sie würde trinken. Und wenn nicht von ihm, dann aus Plasma-Beuteln, die er ihr jeden Abend höchstpersönlich vorsetzen würde, bis sie sich dem Ganzen nicht mehr verweigern konnte.
Nicos Augen wurden vor Überraschung groß, riesengroß. Sie konnte ihn nur erstaunt anstarren. Es war nicht oft vorgekommen, dass man ihr gegenüber diesen Tonfall einsetzte, weil sie eben schon immer viel zu brav gewesen war. Sie kam meistens nicht wegen sich selbst in brenzlige Situationen, es ging dabei immer um andere. So wie vorhin in der Fontäne. Von allein wäre sie niemals darauf gekommen, sich über ein Verbot hinwegzusetzen, aber wenn es darum ging, einer verlorenen Seele zu helfen, vergaß sie meist alles um sich herum.
„Ich…“
Nico blinzelte und wand sich dann verlegen in seiner Umarmung, als ihr klar wurde, warum er sie durchschaut hatte. Durch den Blutbund konnte er ihre Gedanken viel leichter lesen. Sie war ihm gegenüber offen und sendete wohl unbewusst manches Mal Gedanken, ohne es zu merken oder zu wollen. Sie hätte vielleicht kokettieren oder gegen die Bevormundung aufbegehren sollen, doch sie empfand seine Worte nicht als belehrend. Er erinnerte sie nur daran, was sie aufs Spiel setzen würde, wenn sie nicht auch manches Mal ein klein wenig an sich selbst dachte. Sie war viel zu vernünftig, um seinen Standpunkt nicht nachvollziehen zu können.
„Es war nicht wirklich ernst gemeint, Damon…“, sagte sie leise, beugte sich vor, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen zu hauchen, wobei sie seinem Blick entging, indem sie die Lider senkte, weil sie sich schon etwas ertappt vorkam.
Sie rutschte noch näher an ihn heran und barg ihr Gesicht in seiner Halsbeuge, wo sie den leise gurgelnden Strom seines Blutes wahrnehmen konnte und den regelmäßigen Schlag seines Herzens. Das verlockende Wispern würde immer lauter werden, da sie Gloria vorhin noch Blut gespendet hatte und ihr Körper nach Regeneration verlangte. Sie wusste, warum sie dieses dumpfe Gefühl hatte, nicht genug gegessen zu haben. Sie hätte es auch einordnen können, wenn sie noch nicht umgewandelt gewesen wäre. Es hätte ihr trotzdem Angst gemacht. Die Welt der Immaculate war ihr zwar in die Wiege gelegt worden, aber sie war nicht allgegenwärtig gewesen. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie ein (so weit möglich) normales Leben führen konnte, bevor sie sich in die andere Welt begab, die ihnen beiden bedrohlich vorgekommen war.
„Ich war mit Gloria auf besondere Weise verbunden… Wenn man sich auf dieser… anderen Ebene begegnet,
Weitere Kostenlose Bücher