Die Suenden der Vergangenheit
Erbe für unsere Tochter zu bekommen. Nein, vielmehr gipfelt es in Streit und Missgunst. Ein Zustand, den ich im Moment nicht gut ertragen kann. Das Kind spürt meine Aufregung und die Sorge um ihren Vater. Es lässt mich nachts nicht mehr zur Ruhe kommen und Lawrence will unbedingt, dass ich dem Castle und euch allen eine Weile fernbleibe. Es ist meine Pflicht, seinen Anweisungen Folge zu leisten. Allein schon aus Liebe zu ihm. Seine zukünftige Frau darf ihm nicht in den Rücken fallen. Er kämpft hart mit seinen Mitteln, um seine Schwester wieder für uns zu gewinnen, doch ich fürchte, wir werden erst etwas gegen sie ausrichten können, wenn Gloria auf der Welt und meine Umwandlung vollzogen ist.
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Ich liebe ihn. Ich liebe ihn sehr und wünschte jetzt, schon viel früher die Kraft gehabt zu haben, für immer an seiner Seite sein zu wollen. Dann könnte ich mit ihm kämpfen und müsste nicht als Zuschauerin erneut vom Bett aus zusehen, wie sehr er unseretwegen leidet. Was der dumme Mann natürlich zu verbergen sucht. Ich durchschaue ihn. Immer. Und das ohne jede besondere Fähigkeit oder der Macht des Gedankenlesens.
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In den Briefen ihrer Mutter konnte man vieles von dem, was Nico ihr offenbart hatte, zwischen den Zeilen und manchmal frei heraus lesen. Die Geschichte war also wahr. Ihre Mutter war nie bis zu Salama, die Gloria nun als Orakel kennen lernte und sich fragte, was dieser Titel genau zu bedeuten hatte, vorgedrungen. Stets hatten ihr Mann, Morrigan oder eine Gloria ebenfalls unbekannte Frau namens Flavia in ihrem Namen gesprochen, um für das noch ungeborene Kind, also für sie, einzutreten.
Die Gesetze unter den Immaculates waren sehr streng geregelt, wie Gloria klar wurde. Auch das hatte Nico ihr schon zu verstehen gegeben. Ein Haus, das einmal aufgelöst worden war, ließ sich nicht einfach so wieder aufbauen oder weiterreichen. Die Herrin musste sich als würdig erweisen und ihr Vater hatte als Mann kein Anrecht auf das aufgegebene Vermögen seiner Schwester.
Und ein Baby allein war noch nicht würdig, in die Fußstapfen einer Devena zu treten, obwohl es schon eine gravierende Bedeutung zu haben schien, in diesen Kreisen als Mädchen auf die Welt zu kommen. Warum sonst schien ihre Mutter vollkommen aus dem Häuschen gewesen zu sein, als Gloria endlich nach langen Stunden in den Wehen in der Weihnachtszeit auf die Welt gekommen war?
Oh Morrigan,
sie ist wundervoll. Ich werde nicht müde, unsere Tochter über alles und jeden zu loben und innigst zu lieben, während sie in ihrem Bettchen schläft und an ihrem Fäustchen nuckelt. Diese kleinen Hände, die kleinen Finger und ihre Füßchen erst. Ihre winzigen Zehen erinnern an frische, pralle Erbsen und ich kann nicht anders, als sie den ganzen Tag an mich zu drücken und zu küssen. Man möchte sie auffressen, weil sie so perfekt ist und gut riecht. Da kommt sie ganz nach Lawrence. Er ist der Einzige, von dessen Duft ich ebenfalls niemals genug bekommen werde. Du hast sie gesehen, du hast sie im Arm gehalten und dank deiner guten Fürsorge gehört sie zu einem gewissen Teil auch dir.
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Eine bessere Freundin, Tante und Patin wird Gloria nirgendwo auf der Welt finden. Du hast mir beigestanden, als ich dich am dringendsten brauchte. Das werde ich dir nie vergessen.
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Morrigan hatte Gloria das erste Mal blutgetauft, um den ersten Bund zu den Immaculates zu besiegeln, nachdem sie auf der Welt war. Glorias Vater hatte ihr das Vorrecht als beste Freundin seiner Frau gelassen. Zudem war es eine große Ehre für die Familie gewesen, die ihre Mutter beim Schreiben an ihre Freundin beinahe wie zu Beginn ihrer Korrespondenz vor Ehrfurcht gegenüber der mächtigen Frau erstarren ließ.
Dies zu lesen, hatte Gloria in keiner Weise beschämt oder angeekelt. So wie ihre Mutter darüber schrieb, hatte es nichts Anrüchiges oder Ungewöhnliches mehr. Es war vollkommen normal. Genauso als würde der Säugling zum ersten Mal Muttermilch trinken. Nur dass es eben Blut gewesen war, das Gloria zuerst getrunken hatte. Sie fragte sich, ob Mathilda je davon erfahren hatte?
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Es ist sehr schade, dass du und Flavia so früh aufbrechen mussten. Ich habe euch gern um mich. Wenn wir mehr Platz zur Verfügung hätten, wärt ihr länger geblieben, nicht wahr? Lawrence sucht mit Orsen nach etwas Passendem. Er sagt, im Frühjahr könnten wir schon auf dem Land wohnen. In etwas Großem, in dem ich meine Gäste und Freundinnen vernünftig bewirten kann.
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Bis zur
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