Die Suenden der Vergangenheit
sich gewöhnen konnte. Also folgte sie Morrigan in schweigendem Einverständnis und nickte deren Assistentin ebenfalls freundlich zu. Sie hatte tatsächlich Zeit. Zu viel davon, wenn man die Tatsache außer Acht ließ, dass sie todkrank war.
Eine warmherzig lächelnde Morrigan führte Gloria in durch die imposante Eingangshalle hindurch zu einer Tür, hinter der man Schätze vermuten würde, da sie ähnlich wie in der Fortress mit einer Zahlenkombination und einem Scan eines Fingerabdruckes geöffnet wurde.
„Ray ist ein absoluter Technikfreak. Ich für meinen Teil hätte wohl auf diese Dinge verzichtet, aber dann macht er sich Sorgen um meine Sicherheit, also gebe ich ihm nach. Wir sind besser gesichert als Fort Knox, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand die Artefakte unseres Hauses stehlen möchte.“
Sie schlug absichtlich einen leichten Ton an, damit sich Gloria sammeln konnte. Die Sicherheitsvorkehrungen galten ja nicht den Obergeschossen vielmehr den Katakomben und den Schriften, die so wichtig für ihre Rasse waren. Sie gingen durch einen langen Korridor, der mit einem weichen Teppich ausgelegt war und wo Bilder und gerahmte Schriften hingen, die sie nicht in den Ausstellungsräumen aufstellten.
Die Tür gegenüber war genauso gesichert wie die im Museum und dann standen sie im Haus nebenan, in dem Morrigan mit Cal und einer kleinen Armee von Helfern lebten, die der Patrona des Hauses Averon dienten. Es waren einige Besucherinnen aus Übersee zu Gast, da ihre Untertanen natürlich nicht nur in den Vereinigten Staaten lebten. Averon war ein sehr altes Haus, so dass sie praktische einem kleinen Königshaus vorstand.
Ganz offen sah Gloria sich in Morrigans Rücken überall, wo sie entlanggingen, um. Es gefiel ihr hier wirklich und sie sah mit kindlichem Staunen auf die gesicherte Tür, die Morrigan wie in einem James Bond-Film mit ihrem Fingerabdruck frei schaltete.
„Wenn man die Umstände bedenkt, unter denen Sie leben müssen, kann es wohl nicht zu viel Sicherheit geben.“
Kaum gesagt, senkte Gloria peinlich berührt den Blick. Wer war sie schon, um einen Kommentar darüber abzugeben, welche Sicherheitsvorkehrungen für Morrigan Avery nötig waren und welche nicht. Einen Moment hatte sie sich wohl zu wohl gefühlt.
„Ich meine, ich...Ihr Sohn hat mein Apartment ebenfalls...gesichert.“
Sie war allerdings ein hilfloses, kleines Ding, das sich mit Morrigan und ihren wohl sehr mächtigen, besonderen Fähigkeiten keineswegs vergleichen konnte.
„Das war sehr nett von ihm“, fügte sie hinzu, um wenigstens ein bisschen aus den Fettnäpfchen heraus zu kommen, in die sie ihrer Meinung nach ständig trat.
Morrigan nickte dazu. Ray hatte sicher nicht aus Nettigkeit gehandelt. Eher aus dienstlichem Pflichtgefühl heraus, er hätte das auch für jede andere Breed getan. Nur war Gloria nicht irgendwer.
Sie führte Gloria nicht in ihre privaten Gemächer im ersten Obergeschoß der Jugendstilvilla sondern die Stufen in einen Keller herunter, der unter anderen Umständen düster ausgesehen hätte. Aber die Räume waren alle restauriert worden, um die gemauerten Wände zu erhalten. Der Boden war mit hellgrauen Granitplatten ausgelegt, um keine Düsternis aufkommen zu lassen. An den Wänden hingen in regelmäßigen Abständen elektrische Fackeln, die sich aufgrund von angebrachten Bewegungsmeldern anschalteten.
Es gab Türen aus gebürstetem Stahl, doch daran ging sie vorbei, um eine Tür aus nachgedunkeltem Walnussholz zu öffnen, die mit kunstvollen Intarsien verziert war. Das Überbleibsel aus dem Kirchenportal ihres Schlosses in Irland, das vor Jahrhunderten abgebrannt war. Dahinter tat sich eine Mischung aus elegantem Salon und Bibliothek auf, wo sie ihre Lehrbücher und private Schriften aufbewahrte, die sich mit der Alchemie und anderen Bereichen der Zauberei beschäftigten.
„Das ist sozusagen mein Studierraum. Tritt ruhig ein, es gibt einen Grund, warum ich dich hierher gebracht habe und nicht in mein überirdisches Wohnzimmer. Deine Mutter war auch schon hier. Es ist die perfekte Zuflucht, hier wird niemand es wagen, uns zu stören. Mach es dir bequem. Ich kann ein Feuer anzünden, hier unten ist es doch kühler als oben. Versuch, dich zu entspannen. Oder sieh dich um, während ich kurz nebenan etwas Tee bereite. Hier in diesem Regal findest du andere Alben, die aber sicher nicht so interessant sind wie das, das ich nun wieder zurückstelle. Es sind Chroniken meiner Familie.
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