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Die Suenden der Vergangenheit

Die Suenden der Vergangenheit

Titel: Die Suenden der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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Vielleicht hilft es dir, wenn wir keine Geheimnisse voreinander haben, um ein wenig Vertrauen zu fassen?“
    Morrigan stellte das angesprochene Album wieder an seinen angestammten Platz und ging dann nach nebenan in ihre „Hexenküche“, wie Cal sie einmal scherzhaft betitelt hatte, obwohl der hochmoderne Raum kaum etwas mit den dunklen Burgverliesen zu tun hatte, in denen man sich gemeinhin Zauberer bei der Arbeit vorstellte.
Sie war so in Gedanken, dass sie das Feuer im Kamin mit ihren Fähigkeiten anzündete, bevor sie die Tür hinter sich zuzog. Sie war eben zuhause und hier musste sie sich niemals verstellen oder ihre Zauberkräfte vor den Unwissenden verbergen. Es geschah bestimmt nicht in der Absicht, Gloria zu erschrecken.

    Gloria hatte sich für den Rest des Wegs jeglichen Kommentars zu dem, was sie sah, enthalten. Zu präsent waren die Worte ihrer Mutter, die in ihr eine Hoffnung und eine Besonderheit gesehen hatte, die ihr vollkommen absurd erschien, je länger sie mit Morrigan zusammen war. Sie beide waren das absolute Gegenteil voneinander. Doch selbst wenn es nur Mitleid war, das Morrigan dazu brachte, nett zu ihr zu sein, brauchte Gloria ihre Nähe und Gesellschaft gerade mehr als alles andere.
    Was für eine wunderschöne Tür!
    Und der Raum dahinter war schlichtweg fantastisch. Ein anderes Wort fiel Gloria dazu nicht ein. Instinktiv wusste sie, dass man sich hier stundenlang aufhalten könnte, ohne zu merken, wie die Zeit verging. Bis sie all diese Bücher an den Wänden gelesen hätte, würden Jahre ins Land gehen. Jahre und viele Momente vollkommenen Glücks. Es hätte ihr die Sprache verschlagen, wenn sie nicht schon die ganze Zeit über stumm wie ein Fisch gewesen wäre.
    Es fühlte sich wie ein unsichtbarer Zauber an, der sich über sie legte und der sie dazu brachte, sich einem Regal zu nähern und die Titel zu studieren. Viele waren in Sprachen, die sie nicht sprach, jedoch sehr wohl anhand des Schriftbildes zuordnen konnte, einige auf Latein und andere auf Englisch. Gloria hob die Hand, um einen alten Lederrücken zu berühren, fuhr aber erschrocken zusammen, als plötzlich das Feuer im Kamin aufloderte und sie daran erinnerte, wo sie war. Erneut ertappt und peinlich berührt nahm sie lieber auf einem Sessel Platz. Von dort kannte sie keinen Schaden anrichten. Sie sollte viel lieber darüber nachdenken, was sie Morrigan fragen wollte. Im Moment war ihr Gehirn wieder wie leergefegt. Zudem hatte sie gar keine Geheimnisse vor Morrigan und würde sie auch ganz bestimmt nicht unverschämt nach ihren fragen.

    Nach einer Viertelstunde kam Morrigan zurück, dabei hielt sie ein Tablett in ihren Händen, auf dem sie edles Teegeschirr von Sèvres balancierte, das eines ihrer Mädchen ihr über eine andere Tür nach unten gebracht hatte. Sie übersah geflissentlich, dass das Mädchen auf dem bequemen Möbel eingeschlummert war.
Morrigan stellte es auf dem kleinen Tischchen ab, das zwischen den schweren Ohrensesseln am Kamin stand. Sie schenkte sich und Gloria fein duftenden weißen Tee ein und stellte ihr neben die Tasse ein kleines, silbernes Kännchen, das eine farblose Flüssigkeit enthielt.
    „Das ist eine Tinktur, die dein Unwohlsein lindern wird, Gloria, wenn du sie nehmen möchtest, tu einfach etwas davon in den Tee. Die Dosierung erfolgt nach deinem Befinden. Es wird deine Symptome unterdrücken aber keine Heilung bringen. Es ist kein Wundermittel allerhöchstens mit einem stark dosierten Schmerzmittel zu vergleichen, der auf deinen speziellen Organismus abgestimmt ist. Es unterstützt auch die Wirkung des Blutes, das man dir verabreicht hat. Ich hatte es auch schon für deine Mutter bereitet, als sie schwanger mit dir war. Während dieser Zeit konnte sie die Umwandlung nicht vollziehen, weil es ihren Zustand gefährdet hätte“, erklärte Morrigan mit ruhiger Stimme, um sich dann Gloria gegenüber zu setzen.

    „Oh! Danke.“ Glorias Wangen wurden rot und dann nickte sie bekräftigend.
    Ohne zu zögern kippte sie ein wenig von der Medizin in ihre Tasse, die sie mit zitternden Händen ergriff und vorsichtig daran nippte. Wenn ihre Mutter das Gleiche getrunken und es ihr geholfen hatte, war es sicher gut. Glorias Körper war sehr geschwächt und hinzu kam eine nur natürliche Aufregung, da sie nun dazu aufgefordert war, Morrigan Fragen zu stellen, die ihr auf der Seele brannten.
Sie wollte wirklich nicht sterben. Nicht jetzt und wenn sie es sich aussuchen dürfte, ganz bestimmt auch nicht

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